Vorlesung: Die Literatur des 20. Jahrhunderts (WS 2016/17)
Prof. Dr. Albert Meier

Die Literatur des 20. Jahrhunderts – Rolf Dieter Brinkmann: Westwärts 1&2

Als Rolf Dieter Brinkmanns (1940-75) bekannteste Werke gelten die Gedichtsammlung Westwärts 1&2 (1975 postum) und das seit Goethes Italienischen Reise wichtigste deutsche Italienbuch Rom, Blicke (1972).

Für den Autor ist es von zentraler Bedeutung, der ›Hässlichkeit‹ der Moderne entgegenzuwirken. Er ist bemüht, mit seiner Poesie eine Art gesteigertes Dasein zu erreichen, wie das in musikalischer Hinsicht u.a. der Rock´n´Roll geleistet hat. Von dem amerikanischen Kunststil ›Pop Art‹ beeinflusst und angelehnt an Novalis’ Gedanken, dass ›alles‹ Kunst werden kann, schreibt Brinkmann in seinem Cover zu Die Piloten »It is not enough to love art! One must be art.«

›Neue Sensibilität‹

Getreu dieser Idee schafft er es, aus scheinbar trivialen Alltagssituationen effektvolle Gedichte zu machen. Das Besondere seiner nicht selten in Terzetten geschriebenen Lyrik ist, dass sie die starren Erwartungen an die bisherigen Ansprüche der Poesie aufbricht und den Weg zur ›Neuen Sensibilität‹ ebnet; ein Exempel dafür ist Trauer auf dem Wäschedraht im Januar (siehe unten bei »Quellennachweise«).

Diese Sensibilität wird vor allem durch den Verstoß gegen literarische Konventionen erzielt, wodurch gängige (und daher allzu schematische) Wahrnehmungsmuster aufgelöst werden sollen, um die Rezipienten empfindsamer = sinnlich offener zu machen.

Westwärts 1&2

Der Titel des Gedichtbands Westwärts 1&2 hat eine doppelte Bedeutung: Ein autobiographischer Bezug ist mit der Reise Brinkmanns nach Texas im Jahr 1974 gegeben; des Weiteren gilt die Bewegung nach ›Westen‹ als Ausdruck von Freiheit, d. h. als Chance einer Eroberung des eigenen Bewusstseins und damit einhergehend als Schaffung einer besseren Realität. Charakteristisch für den Gedichtband sind die durch Collage- und Montagetechnik eingefügten Fotos, Zeitungsauschnitte und verfremdete oder z.T. eingedeutschte Zitate.

Die Orangensaftmaschine erzählt mit der ›snap-shot‹ Technik von einem ruhigen Moment, der den Leser sensibilisiert: inhaltlich durch eine plötzliche Bewegung, formal durch Zeilenbrüche. Westwärts, Teil 2 ist ein auf über sechs Doppelseiten geschriebenes Flächengedicht, das durch seine räumliche Anordnung der Wörter den gewohnten Lesefluss verweigert. Mit dem ›cut up/fold in‹-Prinzip (= Montagetechnik) werden traditionelle Metaphern und Verweise auf Skandale von Musikern eingearbeitet. Die Leser sollen sich den literarischen Reizen aussetzen, um eine in Lyrik eine alternative Art der Wahrnehmung zu erfahren.

Novalis: Glauben und Liebe (1798): »Jeder Mensch sollte Künstler seyn. Alles kann zur schönen Kunst werden.«


»Ein Stück Draht, krumm | ausgespannt, zwischen zwei | kahlen Bäumen, die || bald wieder Blätter | treiben, früh am Morgen | hängt daran eine || frisch gewaschene | schwarze Strumpfhose | aus den verwickelten || langen Beinen tropft | das Wasser in dem hellen | frühen Licht auf die Steine.«

[Brinkmann, Rolf Dieter: Trauer auf dem Wäschedraht im Januar. In: Brinkmann, Rolf Dieter: Westwärts 1&2. Gedichte. Mit Fotos und Anmerkungen des Autors. Erweiterte Neuausgabe. Reinbek bei Hamburg 2005, S. 37.]

Brinkmann, Rolf Dieter: Rom, Blicke:

»Als ich soeben rausging, Zigaretten zu kaufen, dachte ich: Daß ich viele Schwierigkeiten habe, die Häßlichkeit der gegenwärtigen Zivilisationswelt anzunehmen (Bin ich denn ein Masochist?) – Und mir fiel ein, daß ich deswegen nicht gehungert haben konnte, bloß um mir eine Schallplatte damals kaufen zu können, die ich abends allein in dem Dachzimmer, in dem im Sommer immer die Margarine zu einem gelblichen fettigen seirigen Gemisch im Töpfchen sich auflöste, anhörte und an der ich mich beim Anhören berauschte und träumte von einer gesteigerteren Welt und einem gesteigerten Dasein – Thelonius Monk Lokomotive oder Pachelbel, sie habe ich niemals als einen Widerspruch ansehen können, oder Lennie Tristano und eine Orgelfuge von Buxtehude, oder sogar Fats Domino und einige Stücke von Jerry Lee Lewis und ein Lautenkonzert von einem Komponisten des 17. Jahrhunderts, Tamaso di Parma oder Garma, es gibt so einen Italiener, waren für mich keine Gegensätze – wohl aber dazu das Moderne, Stockhausen, Klebe, Kagel, die ganze erbärmliche abendländische moderne Avantgarde – sie haben mich durch Schönheit oder durch Rauschgelegenheit nie mitgenommen=ergriffen und fortgeführt so wenig wie die zeitgenössische Literatur – und nun sollte dieses Hungern, dies Kauen aus Zeitungspapier, diese billigen Ei-Brötchen als Hauptmahlzeit und dieses Schlürfen einer Maggi-Brüh-Würfel-Suppe umsonst, vergeblich gewesen sein? – Ich habe Schwierigkeiten, die ganze enorme Häßlichkeit der Gegenwart zu akzeptieren. – «

[Brinkmann, Rolf Dieter: Rom, Blicke. Reinbek bei Hamburg 1979, S. 201f.]


» »Auch ich in Arkadien!« hat Göthe geschrieben, als er nach Italien fuhr. Inzwischen ist dieses Arkadien ganz schön runtergekommen und zu einer Art Vorhölle geworden.«

[Brinkmann: Rom, Blicke (Anm. 1), S. 16.]


» »Auch ich in Arkadien!«, Göthe. Dieses Arkadien ist die reinste Lumpenschau.«

[Brinkmann: Rom, Blicke (Anm. 1), S. 47.]


» – Also »Arkadien«?!:na, hör mal, das kann man jemandem aufbinden, der keine Krempe am Hut hat!«

[Brinkmann: Rom, Blicke (Anm. 1), S. 79.]


»Man müßte es wie Göthe machen, der Idiot: alles und jedes gut finden/ was der für eine permanente Selbststeigerung gemacht hat, ist unglaublich, sobald man das italienische Tagebuch liest: jeden kleinen Katzenschiß bewundert der und bringt sich damit ins Gerede.«

[Brinkmann: Rom, Blicke (Anm. 1), S. 115.]


Brinkmann, Rolf Dieter: Trauer auf dem Wäschedraht:

»Ein Stück Draht, krumm | ausgespannt, zwischen zwei | kahlen Bäumen, die || bald wieder Blätter | treiben, früh am Morgen | hängt daran eine || frisch gewaschene | schwarze Strumpfhose | aus den verwickelten || langen Beinen tropft | das Wasser in dem hellen | frühen Licht auf die Steine.«

[Brinkmann, Rolf Dieter: Trauer auf dem Wäschedraht im Januar. In: Brinkmann, Rolf Dieter: Westwärts 1&2. Gedichte. Mit Fotos und Anmerkungen des Autors. Erweiterte Neuausgabe. Reinbek bei Hamburg 2005, S. 37.]


Brinkmann, Rolf Dieter: Briefe an Hartmut:

»1956 der erste Rock’n’Roll aus einer Musikbox einer Eisdiele der Kleinstadt usw. was für eine Überraschung! Da habe ich mich mit lateinischen und altgriechischen Übersetzungen rumschlagen und quälen müssen, und aus der Musikbox nachmittags kam diese Musik! Das war ja wohl ein riesiger Sprung. Und mir hat die Rock’n’Roll Musik einfach besser gefallen als die Quälerei mit Xenophons Anabasis, wo sie alle Thalatta, Thalata am Ende rufen«

[Brinkmann, Rolf Dieter: Briefe an Hartmut. 1974–1975. Mit einer fiktiven Antwort von Hartmut Schnell, O. O. 1999, S. 42.]


»Eine Absicht bei mir war von Anfang an da: | nämlich gegen den Begriff Gedicht mit meinen Gedichten zu schreiben, gegen die Bedeutung, die zB. einem Gedicht beigemessen wird, also gegen Gedichte als elitäre Kunstprodukte, gegen das Verständnis vom Gedicht als elitäres K-Produkt, und dann gegen die Bedeutungen der Dinge im menschl. Bewußtseinsraum, also die starren Fixierungen etwas aufzulösen mit einem Gedicht.«

[Brinkmann: Briefe an Hartmut (Anm. 7), S.128.]


Brinkmann, Rolf Dieter: Notizen:

»Eine globale Empfindsamkeit beginnt sich anzudeuten, wie sie auch in den Studentenaufständen überall wirksam wird. Es ist ein Aufstand gegen die dreckigen Bilder, die andere dreckige Bilder nach sich ziehen und so lange als einzig ‘wahre’ Bilder verstanden wurden: gegen den mörderischen Wettlauf, konkurrenzfähig zu sein, gegen die besinnungslos hingenommene Gewaltakte, gegen das Auslöschen des Einzelnen in dem alltäglichen Terror. Die alltäglichen Dinge werden vielmehr aus ihrem miesen, muffigen Kontext herausgenommen, sie werden der gängigen Interpretation entzogen, und plötzlich sehen wir, wie schön sie sind … ein Schlittschuh, der über die Eisfläche gleitet, eine Hand, die einem Hund Hundefutter hinhält, mein liebstes Gemüse broccoli – denn die alltäglichen Sachen und Ereignisse um uns sind terrorisiert worden; dieser winzige, aber überall verteilte Terror wird zersetzt, das konkrete Detail befreit. Jetzt ist es ein Schlittschuh, der über eine Eisfläche gleitet. Jetzt ist es ein Mädchen, das lächelt. Dies ist mein liebstes Gemüse, broccoli«

[Brinkmann, Rolf Dieter: Notizen 1969 zu amerikanischen Gedichten und zu der Anthologie ‘Silverscreen’. In: Brinkmann, Rolf Dieter: Der Film in Worten. Erzählungen, Essays, Hörspiele, Fotos, Collagen. 1965-1974. [Reinbek bei Hamburg] 1982, S. 248-269, hier S. 250f.]


Hofmannsthal, Hugo von: Ein Brief:

»Eine Gießkanne, eine auf dem Feld verlassene Egge, ein Hund in der Sonne, ein ärmlicher Kirchhof, ein Krüppel, ein kleines Bauernhaus, alles dies kann das Gefäß meiner Offenbarung werden. Jeder dieser Gegenstände und die tausend anderen ähnlichen, über die sonst ein Auge mit selbstverständlicher Gleichgültigkeit hinweggleitet, kann für mich plötzlich in irgend einem Moment, den herbeizuführen auf keine Weise in meiner Gewalt steht, ein erhabenes und rührendes Gepräge annehmen, das auszudrücken mir alle Worte zu arm scheinen. Ja, es kann auch die bestimmte Vorstellung eines abwesenden Gegenstandes sein, der die unbegreifliche Auserwählung zu teil wird, mit jener sanft oder jäh steigenden Flut göttlichen Gefühles bis an den Rand gefüllt zu werden.«

[Hofmannsthal, Hugo von: Ein Brief. In: Hofmannsthal, Hugo von: Der Brief des Lord Chandos. Schriften zur Literatur, Kunst und Geschichte. Herausgegeben von Mathias Mayer. Stuttgart 2000, S. 46-59, hier S. 53.]


Novalis: Werke:

»Die Poësie heilt die Wunden, die der Verstand schlägt. Sie besteht gerade aus entgegengesezten Bestandtheilen – aus erhebender Wahrheit und angenehmer Täuschung.«

[Novalis: Aus den Fragmenten und Studien. 1799/1800. In: Novalis. Werke, Tagebücher und Briefe Friedrich von Hardenbergs. Herausgegeben von Hans-Joachim Mähl und Richard Samuel. München – Wien 1978, S. 751-848, hier S. 814.]


»Jeder Mensch sollte Künstler seyn. Alles kann zur schönen Kunst werden.«

[Novalis: Werke (Anm. 11), S. 287-309, hier S. 303.]


Brinkmann, Rolf Dieter: Die Piloten:

»Welcome to the Rolling Stones! Die Texte der Fugs sind besser. Woran liegt das?«

[Brinkmann, Rolf Dieter: Notiz. In: Neue Gedichte von Rolf Dieter Brinkmann. Die Piloten. Köln 1968, S. 6-9, hier S. 6.]


Brinkmann, Rolf Dieter: Briefe an Hartmut:

»Ich wollte wirklich einen rohen, unmittelbaren Effekt haben, und keinen Kunsteffekt, der dann Kunst so vorne rausstellt.«

[Brinkmann: Briefe an Hartmut (Anm. 7), S.41.]


Fiedler, Leslie A.: Cross the Border – Close the Gap:

»The kind of literature which had arrogated to itself the name Modern (with the presumption that it represented the ultimate advance in sensibility and form, that beyond it newness was not possible), and whose moment of triumph lasted from a point just before World War I until one just after World War II, is dead, i. e., belongs to history not actuality. In the field of the novel, this means that the age of Proust, Mann, and Joyce is over; just as in verse that of T. S. Eliot, Paul Valéry, Montale and Seferis is done with.«

[Fiedler, Leslie A.: Cross the Border – Close the Gap. In: The Collected Essays of Leslie Fiedler. Volume II. New York 1971, S. 461-485, hier S. 461.]


»We have, however, entered quite another time, apocalyptic, antirational, blatantly romantic and sentimental; an age dedicated to / joyous misology and prophetic irresponsibility; one, at any rate, distrustful of self-protective irony and too great self-awareness.«

[Fiedler: Close the Gap (Anm. 15), hier S. 462f.]


Brinkmann, Rolf Dieter: Angriff aufs Monopol:

»Der Kulturbetrieb steckt in der Krise, jaja, aber Loyalitäten sind fest wie zuvor, die Klischees schwanken ein wenig, doch das Schwanken ist angenehm: man liest als deutscher Dichter weiter vor, besucht Tagungen, hockt nachher zusammen in gepflegter Umgebung, und diese Leute, alles ganz ausgekochte Individualisten (will man ihren Statements Glauben schenken), zweifellos überragende Geister, immer am Ball etc., vertreten wie gehabt die abendländische Reflexion gegenüber einem Amerikaner, der hergekommen ist und einfältig-einfach ausspricht, was seit einiger Zeit bereits so offensichtlich ist: daß das europäisch-abendländische Kulturmonopol gebrochen ist.«

[Brinkmann, Rolf Dieter: Angriff aufs Monopol. Ich hasse alte Dichter. In: Roman oder Leben. Postmoderne in der deutschen Literatur. Herausgegeben von Uwe Wittstock. Leipzig 1994 (Reclam-Bibliothek 1516), S. 65-77, hier S. 65.]


»Das meint: Es herrscht eine generelle, tiefverwurzelte Ignoranz und Abneigung gegen alles ›artfremde‹. Und wenn nun Fiedler daherkommt und etwas von den Bewegungen in den USA erzählt, dann stößt das auf prinzipielle Blindheit. Aber Fiedler erzählt nicht nur, diesmal ist etwas anderes passiert: Er greift das Kulturmonopol des Abendlandes an.«

[Brinkmann: Angriff aufs Monopol (Anm. 17), hier S. 69.]


»Deshalb weiter mit der gleichen Perspektive wie oben: der Angriff auf das abendländische Kulturmonopol … was gar nicht verwunderlich ist, bedenkt man, daß seit Anfang der sechziger Jahre New York sich zum beherrschenden Kulturzentrum entwickelt hat, vergleichbar Paris nach der Jahrhundertwende und in der Zeit zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, eine Metropole, in der sich die verschiedensten Tendenzen und Impulse, die unterschiedlichsten Kunstbereiche überlagern, vermischen und so etwas wie einen allgemeinen Stil ausprägen, für den die Bezeichnung ›Pop‹ nur vorläufig gilt, und zwar ist unter Pop nicht die seinerzeitig aufgekommene Arbeitsrichtung der Malerei eines Wesselmann, Warhol etc. zu verstehen, vielmehr jene Sensibilität, die den schöpferischen Produkten jeder Kunstart – Schreiben, Malen, Filmen, Musikmachen – die billigen gedanklichen Alternativen verweigert: hier Natur – da Kunst und hier Natur – da Gesellschaft, woraus bisher alle Problematik genommen wurde.«

[Brinkmann: Angriff aufs Monopol (Anm. 17), hier S. 71.]


»Wie vermag literarische Kritik ihres Gegenstandes noch habhaft zu werden? Den Poeten und ›Junkies‹ verdanken wir den Hinweis, daß die ›neue‹ Welt, die der ›neue‹ Mensch der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bewohnen soll, nur entdeckt werden kann durch die Eroberung des inneren Raums: durch ein Abenteuer des Geistes, die Erweiterung der psychischen Möglichkeiten des Menschen. Wie vermag literarische Kritik dieses Gegenstandes noch habhaft zu werden?«

[Brinkmann: Angriff aufs Monopol (Anm. 17), hier S. 76.]


Novalis: Schriften:

»Die Fantasie setzt die künftige Welt entweder in die Höhe, oder in die Tiefe, oder in der Metempsychose zu uns. Wir träumen von Reisen durch das Weltall: ist denn das Weltall nicht in uns? Die Tiefen unsers Geistes kennen wir nicht. – Nach Innen geht der geheimnißvolle Weg. In uns, oder nirgends ist die Ewigkeit mit ihren Welten, die Vergangenheit und Zukunft. Die Außenwelt ist die Schattenwelt, sie wirft ihren Schatten in das Lichtreich. Jetzt scheints uns freylich innerlich so dunkel, einsam, gestaltlos, aber wie ganz anders wird es uns dünken, wenn diese Verfinsterung vorbey, und der Schattenkörper hinweggerückt ist. Wir werden mehr genießen als je, denn unser Geist hat entbehrt.«

[Novalis. Schriften. Die Werke Friedrich von Hardenbergs. Herausgegeben von Paul Kluckhohn (†) und Richard Samuel. Zweite, nach den Handschriften ergänzte, erweiterte und verbesserte Auflage in vier Bänden und einem Begleitband. Zweiter Band: Das philosophische Werk I. Herausgegeben von Richard Samuel in Zusammenarbeit Hans-Joachim Mähl und Gerhard Schulz. Stuttgart 1965, S. 417/419.]


Brinkmann, Rolf Dieter: Notizen:

»[…] ›Angstszene Kultur‹ etc. Immer wieder dieselben Bildbegriffe, die uns abrichten und jeden Impuls ersticken, es anders zu sehen.

[Brinkmann, Rolf Dieter: Notizen 1969 zu amerikanischen Gedichten und zu der Anthologie ‘Silverscreen’. In: Brinkmann, Rolf Dieter: Der Film in Worten. Erzählungen, Essays, Hörspiele, Fotos, Collagen. 1965-1974. [Reinbek bei Hamburg] 1982, S. 248-269, hier S. 252.]


Allgemein läßt sich entnehmen, daß die Kampf- und Konfliktmuster bereits auf früher kindlicher Ebene angelegt sind. / Der spätere Kampf um das eigene Bewußtsein geht darum, inwieweit die Barrieren der Wörter durchbrochen werden können, und damit die in Sprache fixierten Sinnzusammenhänge, bis in die eigene Vergangenheit zurück. // Das ist die neue Grenze, man könnte auch sagen, der neue Westen, es ist die Grenze, sich mit dem Gehirn zu beschäftigen, die Programme, die verbal sind.«

[Brinkmann: Notizen (Anm. 9), S. 275-295, hier S. 276.]


Brinkmann, Rolf Dieter: Westwärts 1&2:

»There was a hipster on the plane | There was a sailor too | Big Business men on the plane | Stewardess too || I saw a movie on the plane | Grand Canyon too | Earphone music on the plane | Time Magazine too || Airplane food was on the plane | Airplane coffee too | Airplane booth [recte: booze] was on the plane | TN [recte: Tea and ] Milk was too || Reclining seats were on the plane | Seatbelts too | No Smoking sign was on the plane | In French and English too || Hostess button on the plane | Ventilator too | Vomit bag was on the plane | Oxygen too || There was a bathroom on the plane | A flashing [recte: flushing] toilet too | There was a mirror on the plane | Me too

[Loudon Wainright: Plane, Too. In: Brinkmann, Rolf Dieter: Westwärts 1&2. Gedichte. Mit Fotos und Anmerkungen des Autors. Erweiterte Neuausgabe. Reinbek bei Hamburg 2005, S. 10.]


Brinkmann, Rolf Dieter: Die Orangensaftmaschine:

»Die Orangensaftmaschine || dreht sich & Es ist gut, daß der Barmann | zuerst auf die nackten Stellen eines | Mädchens schaut, das ein Glas kalten || Tees trinkt. ›Ist hier sehr heiß, | nicht?‹ sagt er, eine Frage, die | den Raum etwas dekoriert, || was sonst? Sie hat einen kräftigen | Körper, und als sie den Arm | ausstreckt, das Glas auf || die Glasplatte zurückstellt, | einen schwitzenden, haarigen | Fleck unterm Arm, was den Raum || einen Moment lang verändert, die | Gedanken nicht. Und jeder sieht, daß | ihr’s Spaß macht, sich zu bewegen || auf diese Art, was den Barmann | auf Trab bringt nach einer langen | Pause, in der nur der Ventilator || zu hören gewesen ist wie | immer, oder meistens, um | diese Tageszeit.«

[Brinkmann: Westwärts 1&2 (Anm. 23), S. 34.]