Literatur des Barock: Die Lyrik
Ausgehend von Marin Opitz‘ Literatur-Reform werden in diesem Video die Regeln und Gesetze der barocken Lyrik erläutert. Zu den wichtigsten Vertretern barocker Lyrik zählen Andreas Gryphius, Christian Hofmann von Hofmannswaldau, Friedrich Spee und die österreichische Freifrau Catharina Regina von Greiffenberg.
Quellen und Zitate
DV sihst/ wohin du sihst nur eitelkeit auff erden. | Was dieser heute bawt/ reist jener morgen ein: | Wo itzund städte stehn/ wird eine wiesen sein | Auff der ein schäffers kind wird spilen mitt den heerden.
[Gryphius, Andreas: Es ist alles eitell. In: ANDREÆ GRYPHII | SONNETE. | Das erste Buch [Nr. 8, v. 1-4]. [Leiden 1643].
ISt Liebe lauter nichts/ wie daß sie mich entzündet? | Ist sie dann gleichwol was/ wem ist jhr thun bewust? | Ist sie auch recht vnd gut/ wie bringt sie böse Lust? | Ist sie nicht gut/ wie daß man Freudt aus jhr empfindet? || Lieb ich gar williglich/ wie daß ich Schmertzen trage? | Muß ich es thun/ was hilffts/ daß ich solch trawren führ? | Thue ichs nicht gern/ wer ists/ der es befihlet mir? | Thue ich es gern/ warumb/ daß ich mich dann beklage? || Ich wancke/ wie das Gras/ so von den kühlen Winden | Vmb Vesperzeit bald hin geneiget wirdt/ bald her. | Ich walle wie ein Schiff/ das in dem wilden Meer || Von Wellen vmbgejagt nicht kan zu rande finden. | Ich weiß nicht was ich will/ ich will nicht was ich weiß/ | Im Sommer ist mir kalt/ im Winter ist mir heiß.
Opitz, Martin: Sonnet. Auß dem Italienischen Petrarchae [Canzoniere 132]. In: MARTINI OPICII. | Teutsche Pöemata | und: | ARIOSTARCHVS | Wieder die verachtung Teutscher Sprach. | […]. | Sampt einem anhang | Mehr auserleßener geticht anderer | Teutscher Pöeten. | Der gleichen in dieser Sprach | Hiebeuor nicht auß kommen. | Straßburg | In verlegung Eberhard Zetzners. | Anno 1624, S. 26f.
EJn haar so kühnlich trotz der Berenice spricht. | Ein mund/ der rosen führt und perlen in sich heget. | Ein zünglein/ so ein gifft vor tausend hertzen träget. | Zwo brüste/ wo rubin durch alabaster bricht. || Ein hals/ der schwanen schnee weit weit zurücke sticht. | Zwey wangen/ wo die pracht der Flora sich beweget. | Ein blick/ der blitze führt und männer niederleget. | Zwey arme/ derer krafft offt leuen hingericht. || Ein hertz/ aus welchem nichts als mein verderben qvillet. | Ein wort/ so himmlisch ist/ und mich verdammen kan/ | Zwey hände/ derer grimm mich in den bann gethan/ || Und durch ein süsses gifft die seele selbst umhüllet. | Ein zierrath/ wie es scheint/ im paradiß gemacht/ | Hat mich um meinen witz und meine freyheit bracht.
Hof[f]mannswaldau, Christian Hof[f]mann von: Sonnet. Beschreibung vollkommener Schönheit. In: Herrn | von Hoffmannswaldau | und andrer Deutschen | auserlesene | und bißher ungedruckte | Gedichte/ nebenst | einer Vorrede | von der deutschen Poesie. | LEIPZIG/ Bey J. Thomas Fritsch. 1695, S. 49.
ES wird der bleiche tod mit seiner kalten hand | Dir endlich mit der zeit um deine brüste streichen/ | Der liebliche corall der lippen wird verbleichen; | Der schultern warmer schnee wird werden kalter sand/ || Der augen süsser blitz/ die kräffte deiner hand/ | Für welchen solches fällt/ die werden zeitlich weichen/ | Das haar/ das itzund kan des goldes glantz erreichen/ | Tilgt endlich tag und jahr als ein gemeines band. || Der wohlgesetzte fuß / die lieblichen gebärden/ | Die werden theils zu staub/ theils nichts und nichtig werden/ | Denn opffert keiner mehr der gottheit deiner pracht. || Diß und noch mehr als diß muß endlich untergehen/ | Dein hertze kan allein zu aller zeit bestehen/ | Dieweil es die natur aus diamant gemacht.
Hof[f]mannswaldau, Christian Hof[f]mann von: Sonnet. Vergänglichkeit der schönheit. In: In: Herrn | von Hoffmannswaldau | und andrer Deutschen | auserlesene | und bißher ungedruckte | Gedichte/ nebenst | einer Vorrede | von der deutschen Poesie. | LEIPZIG/ Bey J. Thomas Fritsch. 1695, S. 13.
WJr sindt doch nuhmer gantz/ ja mehr den gantz verheret! | Der frechen völcker schaar/ die rasende posaun | Das vom blutt fette schwerdt/ die donnernde Carthaun| Hatt aller schweis/ vnd fleis/ vnd vorrath auff gezehret. || Die türme stehn in glutt/ die Kirch ist vmbgekehret. | Das Rahthaus ligt im graus/ die starcken sind zerhawn. | Die Jungfrawn sindt geschändt/ vnd wo wir hin nur schawn | Ist fewer/ pest/ vnd todt der hertz vndt geist durchfehret || Hier durch die schantz vnd Stadt/ rint alzeit frisches blutt. | Dreymall sindt schon sechs jahr als vnser ströme flutt | Von so viel leichen schwer/ sich langsam fortgedrungen. || Doch schweig ich noch von dem was ärger als der todt. | Was grimmer den die pest/ vndt glutt vndt hungers noth | Das nun der Selen schatz/ so vielen abgezwungen.
Gryphius, Andreas: Threnen des Vatterlandes / Anno 1636. In: ANDREÆ GRYPHII | SONNETE. | Das erste Buch [Nr. 27]. [Leiden 1643].
Daß Flämlein daß ich meine/ | Ist JESV süsser nam; | Es zehret Marck vnd Beine/ | Frißt ein gar wundersam. | O sussigkeit in schmertzen! | O schmertz in süssigkeit!
Spee, Friedrich: Die gesponß Jesu klaget jhren hertzen brand. [v. 25-30]. In: TRVTZ | NACHTIGAL. | Oder | Geistlichs=PoëTrvtz Nachtigal, Oder | Geistlichs-Poëtisch | LVST-VVALDLEIN, | Deßgleichen noch nie zuvor in Teut=|scher sprach gesehen. | Durch | Den Ehrw : P. FRIDERICUM SPEE, | Priestern der Gesellschafft | JESV. | Jetzo auffs new vbersehen vnd zum zwey=|ten mahl in Truck verfertiget. | Cum Facultate & approbatione Superiorum. Cöllen/ | Jn verlag Wilhelmi Friessems Buch=|händlers/ in der Tranckgaß im Ertz=En=|gel Gabriel Jm Jahr 1654, S. 6f.
O Schmerzen! schmeist man so den Himmel-Lilien-Leib? | Muß denn die Frömkeit selbst/ die Pein der Boßheit leiden? | O jammer/ zu zusehn! O Seele! stehen bleib/ | und sihe/ wie dein Freund/ für dich/ wird zugerichtet. | Schau/ wie die Geisel-sporn sein zarte haut durchschneiden! | Schau! wie das frische Blut mit schmerzen ausherdringet. | Bedenke/ wie du ihm/ unendlich hoch verpflichtet/ | Dieweil ein jeder Ritz dir Himmel-wollust bringet.
Greiffenberg, Catharina Regina von: Uber die Geisel= und Dorn=Crönung meines allerliebsten JEsu. In: Des Allerheiligst = und Allerheilsamsten Leidens und Sterbens Jesu Christi Zwölf andächtige Betrachtungen: Durch dessen innigste Liebhaberin und eifrigste Verehrerin Catharina Regina/ Frau von Greiffenberg/ Freyherrin auf Seisenegg/ Zu Vermehrung der Ehre Gottes und Erweckung wahrer Andacht/ mit XII. Sinnbild=Kupfern verfasset und ausgefertigt. Nürnberg […] Im 1672. Christ=Jahr, S. 554-561, hier S. 554.
