Nach der Postmoderne

Das Schlagwort vom ›Neuen Realismus‹, unter dem der deutsche Philosoph Markus Gabriel und sein italienischer Kollege Maurizio Ferraris am 23. Juni 2011 bei einem neapolitanischen Mittagessen ein ›Zeitalter nach der sogenannten Postmoderne‹ ausgerufen haben,[1] ist bei weitem nicht der erste Totenschein. Für den deutschen Bereich konstatiert Hans-Peter Müller das »stille Ende der Postmoderne« bereits 1998 im Sonderheft des Merkur; Jost Hermand sekundiert dieser Ansicht 2004 ganz entschieden,[2] und auch Christoph Riedwegs Dokumentation einer römischen Vortragsserie von 2012 beruft sich auf das »Gefühl eines tiefen Umbruchs«, das postmoderne Ideen wie der ›Tod des Autors‹ »mit einem Mal ausgesprochen alt und überholt« klingen lässt.[3]

In den USA haben die in der Regel aufatmenden Feststellungen, mit der Postmoderne sei es nun aus, schon früher eingesetzt,[4] und 2002 resümiert Linda Hutcheon umstandslos: »Let’s just say it: it’s over«.[5] In der Tat liegen die Proklamationen einer nicht mehr ›modernen‹ Kunst bei Leslie A. Fiedler und Charles Jencks, das sprachphilosophisch-gesellschafts-theoretische Umdenken bei Jacques Derrida, Michel Foucault, Jean-François Lyotard und Jean Baudrillard und erst recht der literarische Welterfolg von Umberto Ecos Il nome della rosa in bereits so entrückter Vergangenheit, dass der Gedanke an etwas Neues allein dieser Tatsache wegen nicht mehr von der Hand zu weisen ist. Hat man sich auch noch nicht auf einen neuen Epochenbegriff einigen können und spricht deshalb je nachdem von einer ›Post-Postmoderne‹, von einer ›Metamoderne‹[6] oder auch nur von ›nicht mehr postmodern‹, bringt sich das Bedürfnis, philosophisch wie künstlerisch endlich wieder andere, einfachere und direktere Wege gehen zu dürfen, mittlerweile vielfach genug zur Geltung: als Plädoyer für eine Rückkehr zum Realismus und insbesondere als Überdruss an einer allzu omnipräsent gewordenen Ironie.

Philosophisch geschieht diese Gegenbewegung zur »Entwertung von Wirklichkeitserfahrung überhaupt«[7] als Distanzierung vom postmodernen Leitkonzept, dass es kein kontextfreies Sprechen gibt, alles Denken gesellschaftlich konstruiert ist und demzufolge ›Interpretation‹ bleibt, sodass der Pathos-Begriff ›Wahrheit‹ bestenfalls noch im Plural verwendbar wäre. Die Vertreter des ›New Realism‹ (in den USA namentlich Thomas Nagel und Paul Boghossian, in Italien Maurizio Ferraris und in Deutschland Markus Gabriel) halten diesem différance-bedingten Universal-Relativismus die Notwendigkeit entgegen, wenigstens eine Reihe bestimmter ›Tatsachen‹ anzunehmen, auf die alles weitere Denken zu begründen wäre: »We have no choice but to recognize that there must be some objective, mind-independent facts«.[8] In Anlehnung an Thomas Nagels Überlegung, kein ›epistemologischer Skeptizimus‹ könne ohne »implicit reliance on the capacity for rational thought« auskommen,[9] wendet namentlich Gabriel den Vorwurf Derridas an die gesamte Philosophie des Abendlandes, sie sei von einer Metaphysik der Präsenz beherrscht (vgl. S. 27), gegen Derrida selbst und bezichtigt die Dekonstruktion, selbst metaphysisch geblieben zu sein: »Die Postmoderne wollte uns weismachen, die Menschheit leide seit der Prähistorie unter einer gigantischen kollektiven Halluzination, der Metaphysik. […] Die Postmoderne ist allerdings nur eine weitere Variante der Metaphysik. Genau genommen handelte es sich bei ihr um eine sehr allgemeine Form des Konstruktivismus«.[10] In gleicher Manier greift Maurizio Ferraris Lyotards These vom ›Ende der Erzählungen‹ (vgl. S. 36f.) auf und deklariert die Postmoderne als einen erneuten méta-récit, der das mit ihm verbundene Versprechen in gleicher Weise gebrochen habe wie zuvor z. B. die marxistische Befreiungshoffnung: »Die letzten Jahre haben tatsächlich eine bittere Wahrheit gelehrt. Und zwar, dass die Interpretationen das Primat über die Tatsachen gewonnen haben und sich die Überwindung der Objektivität durch den Mythos vollzogen hat. Aber das hat nicht die von den Gelehrten prophezeiten emanzipatorischen Erkenntnisse gehabt«.[11]

Mit seinem ›nuovo realismo‹, der sich in den Grundzügen mit der weiter ausgreifenden Theoriebildung Gabriels deckt, verbindet auch Ferraris ein freilich nicht überschwängliches Emanzipationsversprechen, das sich aus der Kritik am behaupteten Irrationalismus postmoderner Denker speist: »Irrend lernt man oder andere lernen. Die Wahrheit zu verabschieden ist nicht nur ein Geschenk ohne Gegenleistung, das man der ›Macht‹ macht, sondern vor allem der Widerruf der einzigen Chance auf Emanzipation, die sich der Menschheit bietet: des Realismus, gegen Illusion und Zauberei«.[12] Den eigentlichen Ursprung allen Übels erkennen Ferraris und Gabriel folgerichtig im Nihilismus Nietzsches, der in der seinerzeit nicht veröffentlichten Abhandlung Über Wahr­heit und Lüge im außermoralischen Sinne (1873) ›Wahrheit‹ als ein »bewegliches Heer von Metaphern, Metonymien, Anthropomorphismen, kurz eine Summe von menschlichen Relationen« und damit als poetisch motivierte ›Illusionen‹ diskreditiert hat (vgl. S. 29). Indem Ferraris’ Manifesto del nuovo realismo (2012) Nietzsche auf die Notiz »Thatsachen giebt es nicht, nur Interpretationen«[13] festlegt, schafft er sich die Basis, postmodernes Denken grundsätzlich zu attackieren. Seine Behauptung, »die beiden Dogmen der Postmoderne« liefen darauf hinaus, »dass die gesamte Realität gesellschaftlich konstruiert und unbegrenzt manipulierbar sei«,[14] zeugt zwar von einer eher einseitigen Lektüre postmoderner Schlüssel-Theoreme von Derrida bis Baudrillard und geht mit dem Zitat aus Nietzsches Nachlass nicht gar behutsam um; unbestreitbar aber bleibt, dass »das Pendel des Denkens, das im 20. Jahrhundert Richtung Antirealismus und dessen verschiedene Formen (Hermeneutik, Postmodernismus, sprachliche Wende etc.) schwang,« sich ungefähr seit der Wende zum 21. Jahrhundert wieder »Richtung Realismus bewegt«.[15]

Zu beobachten ist in der Tat »ein wiedererwachtes Bedürfnis nach ›starken Gedanken‹, nach Sicherheiten und nach ›Wahrheiten‹, die mehr als relativ und konstruiert sind«,[16] damit wir unsere Welt wieder »so erkennen, wie sie an sich ist«.[17] Dieser Neurealismus stützt sich auf die von den us-amerikanischen Philosophen Thomas Nagel und Paul Boghossian prominent vertretene Binsenweisheit, dass es »some objective, mind-independent facts«[18] geben muss, wenn man auf eine gültige Weise denken bzw. argumentieren will. Maurizio Ferraris bedient sich in diesem Zusammenhang des Beispiels ›Wasser‹: »Natürlich benötige ich, um zu wissen, dass Wasser H2O ist, Sprache, Schemata und Kategorien. Aber Wasser benetzt und Feuer brennt, ob ich es weiss oder nicht, ganz unabhängig von Sprachen und Kategorien. An einem gewissen Punkt gibt es etwas, das uns Widerstand leistet«.[19] Über die chemische Zusammensetzung von Wasser und seine physikalischen Eigenschaften hinaus gibt es allerdings nicht viel, was hinlänglich objektiv bzw. kontextfrei wäre, und zumindest dort, wo es auf den menschlichen Zugriff auf Wasser ankommt, kann die Interpretationsabhängigkeit nicht schlechthin in Frage stehen. Dem Neuen Realismus im Sinne von Ferraris/Gabriel geht es dementsprechend auch weniger um ein absolutes Dementi postmodernen Denkens als um dessen Rückbindung an herkömmliche Normen der Rationalität bzw. um die Rücknahme des Absolutheitsanspruchs der nietzscheanischen Idee vom ›linguistic turn‹. Die Kritik mag insofern Autoritäten wie Feyerabend, Rorty oder Baudrillard ins Zwielicht rücken, deren kulturrelativistische Verve sich allzu leicht der Gefahr eines gründlichen Selbstwiderspruchs aussetzt;[20] Derridas différance-Theorem hingegen wird von den Neurealisten nirgendwo ausdrücklich problematisiert, und Thomas Nagels Einwand gegen den linguistic turn, es sei die Grammatik, die der Logik folge, und nicht umgekehrt,[21] trifft mit Nietzsche nicht auch schon die Dekonstruktion.

In literarischer Hinsicht ist mit dem Realismus-Postulat das Problem der Mimesis aufgerufen bzw. die Frage, inwiefern ein poetisches Konstrukt auf die faktische Lebenswelt referieren kann. Die Selbstverständlichkeit, dass alle Fiktion ›Nachahmung‹ sein solle (vgl. Aristoteles: Poetik, Kap. 1), setzt jedenfalls einen Begriff vom ›Zeichen‹ voraus, der eine fixe Bedeutung unterstellt und mit der dekonstruktivistischen Revision von Saussures Theorie des signe als starre Koppelung von signifiant und signifié schwerlich vereinbar ist (vgl. S. 48). Auf der Grundlage von Derridas différance bleibt demgegenüber nur von einem selbstbezüglichen Spiel der Zeichen zu reden, denen es nicht gegeben ist, empirische Wirklichkeit zu repräsentieren, weil sie über sich und ihren Kontext nicht hinausreichen. Poetologisch heißt das, dass Literatur per se im Modus der Ironie steht (vgl. S. 62) und die außerliterarische Wirklichkeit bestenfalls im Sinne eines ›als ob‹ abbilden kann, das den Konstruktionscharakter poetischer Nachahmung nicht verleugnet. Es muss aus diesem Grund zuallererst die Ironie sein, die unter Verdacht gerät, wenn man im Interesse einer »dem Bewußtsein, der Sprache und den Begriffen« vorausgehenden Wirklichkeit ›diesseits‹ der Sprache bzw. ihrer Zeichen stehen will[22] und nach Auswegen aus der postmodernen Global-Ironisierung sucht.

Mit beachtlichem Medien-Echo ist in diesem Zusammenhang Michel Houellebecqs Roman Les particules élémentaires (1998; dt. Elementarteilchen, 1999) aufgenommen worden, der dem Anschein nach kein postmodern verwickeltes, sondern in seiner Schlichtheit ethisch begründetes Erzählen praktiziert. Der Autor hat sich zugleich persönlich dagegen verwahrt, »literarische Qualitäten« auf bequeme Weise »an den Tag zu legen – indem man die Ironie, die Negativität, den Zynismus ausbaut. Erst wenn man den Zynismus überwinden möchte, wird es schwierig«.[23] Schon im Erstlingsroman Extension du domaine de la lutte (1994; dt. Ausweitung der Kampfzone, 1999) lässt Houellebecq seinen Erzähler daher erklären, um die »Indifferenz oder das Nichts zu beschreiben«, müsse man anders schreiben als bisher, d. h »eine plattere Ausdrucksweise erfinden, eine knappere, ödere Form«.[24] Elementarteilchen schildert als science fiction die Selbstabschaffung der Menschheit durch Gen-Technologie und greift damit den Schluss-Satz von Michel Foucaults Les mots et les choses auf, wo von der Möglichkeit die Rede ist, dass der Mensch einmal »verschwindet wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand« (vgl. S. 42).[25] Mag Foucault auch, wie es wenige Seiten zuvor heißt, gemeinsam mit »Lacan, Derrida und Deleuze« »jahrzehntelang total überschätzt« worden sein, so hat er in den Augen des Erzählers das »weltweite Gespött«, dem seine Arbeiten »über Nacht zum Opfer gefallen waren«,[26] doch nicht verdient: Hier wäre der »Raum für eine neue Philosophie« gewesen, um die Humanwissenschaften gegenüber den Naturwissenschaften zu verteidigen und eine andere Lösung menschlicher Grundprobleme anzustreben als die rein technologische. Insofern bestätigt Houellebecqs Roman gewissermaßen Foucaults Prophezeiung vom Verschwinden des Menschen, dementiert aber auf sarkastische Weise die eigenen Voraussetzungen. Les particules élémentaires gilt es daher gegen den Strich als Plädoyer für den Menschen bzw. für die Zweigeschlechtlichkeit als Medium der Liebe zu lesen, da trotz der vermeintlich direkten Perspekive einer Ich-Erzählung vielfach transzendentalpoetische Momente (vgl. S. 80) zum Tragen kommen und die scheinbare Simplizität als bewusstes Arrangement des Autors markieren. Am besten wird man Houellebecq wohl gerecht, wenn man ihn als Moralist begreift, der im Medium der Fiktion zu seiner realen Gegenwart freilich nur indirekt Stellung nimmt, indem er satirisch mit Übertreibungen, Einseitigkeiten und Karikaturen arbeitet, damit dahinter eine Wahrheit aufscheinen kann, die sich theoretisch nicht überzeugend genug fassen lässt.

Auf poetisch wie naturwissenschaftlich komplexere Weise versucht vor Houellebecqs Elementarteilchen bereits Botho Strauß’ »RomantischerReflexionsRoman«[27] Der junge Mann eine metapoetische Auseinandersetzung mit den ethisch-ästhetischen Annahmen der ›Postmoderne‹, indem das Erzählen hier den Postulaten der dekonstruktivistischen Poetik nachgibt, um sich ihnen dadurch zugleich zu entziehen und in elitärer Dichtung einen Kontrapunkt zur gesellschaftlichen Nivellierung zu setzen. Die entscheidenden Ideen formuliert die ›Einleitung‹, in der ein Dichter-Ich die subjektiv-biographische Narration mit poetologischer Reflexion koppelt, um das Problem der Zeit bzw. des epischen Flusses zu verhandeln und eine Antwort auf die Frage zu finden, auf welche Weise sich dennoch erzählen lasse. Das mit keiner herkömmlichen Inhaltsangabe noch beschreibbare Buch zerfällt schon in seiner Makrostruktur in heterogene Teile, verzichtet mit Nachdruck auf jeden Mimesis-Anspruch und nirgendwo lässt sich eine Instanz absehen, die autoritativ über den Sinn des Werkes entscheiden wollte. Durch offensichtlich fantastisches Erzählen soll die »Mythenumschrift auch einer ›Bundesrepublik‹«[28] möglich werden, die sich als widerständige Poesie dem naturwissenschaftlichen factum brutum der Entropie bzw. des universalen Kältetodes entgegenstellt.[29]

Die auf Fakten statt auf Interpretationen insistierende Kehrtwende des philosophischen Neurealismus wiederholt zu Beginn des 21. Jahrhunderts den Angriff, der im frühen 19. Jahrhundert gegen die Romantik geführt worden ist. Erneut treten »ernste Männer« auf, »um den als frivol-unzüchtig empfundenen Umgang […] mit dem Geist als angeblich ungeistig für immer zu unterbrechen«,[30] so wie nach 1800 namentlich Johann Gottlieb Fichte, Wilhelm Friedrich Joseph Schelling und Georg Wilhelm Friedrich Hegel mit ihrem »Ernstdiskurs«[31] schon einmal versucht haben, sich der von Johann Georg Hamann über Friedrich Schlegel zu Karl Wilhelm Ferdinand Solger als philosophische Grundkategorie kultivierten Ironie zu erwehren, weil sie deren lustvolle Negativität als Gefährdung der Wahrheit empfanden.

Dass mit der Ironie »durchaus nicht zu scherzen« ist, [32] weiß Friedrich Schlegels Essay Über die Unverständlichkeit bereits 1800 und sieht die »Ironie der Ironie« eben in der Erfahrung, »daß man sie doch eben auch überdrüssig wird, wenn sie uns überall und immer wieder geboten wird«.[33] Weil die »vollendete absolute Ironie« daher zwangsläufig aufhört, »Ironie zu seyn«,[34] eröffnet sich aus der Ironie heraus eine Alternative zur Ironie, die nicht auf eine Rückkehr zu vermeintlicher Unmittelbarkeit hinausläuft, sondern eine Ironie zweiten Grades einschließt, die im Wissen, dass kein ›hors-texte‹ denkbar sei (vgl. S. 49), einen vielleicht engeren, ernstlicheren Wirklichkeitsbezug erlaubt als den, mit dem sich das postmoderne Zeichen-Spiel begnügt hat.

Hat Hegel einst die Ironie eines Novalis als »Schwindsucht gleichsam des Geistes« diagnostiziert und in seinen Vorlesungen zur Ästhetik entschieden gegen die »Ironie der Charakterlosigkeit«[35] Stellung bezogen, wollten die westlichen Feuilletons den Terror des 11. September 2001 unverzüglich als Schlusstrich unter das ›age of irony‹ deuten, weil in New York und Washington das Reale auf unerhört gewaltsame Weise in die postmoderne Gedankenlosigkeit des ›nothing is real‹ eingedrungen sei.[36] Die prompte Bereitschaft der literarischen Öffentlichkeit, auch die Ironie – laut Thomas Pynchons 9/11 umspielendem Roman Bleeding Edge (2013) zuvor »a key element of urban gay humour and popular through the nineties« – als »another collateral casualty of 11 September«[37] aufzufassen, geht an den Tatsachen allerdings vorbei. Der Widerstand gegen die kulturelle Hegemonie postmoderner Ironie setzt spätestens ein, als David Foster Wallace Jahre vor seinem als postmoderner Klassiker rezipierten Großroman Infinite Jest (1996) im Essay E Unibus Pluram. Television and U.S.-Fiction (1993) die »oppressiveness of institutionalized irony« konstatiert und die Frage aufwirft, warum »irony, irreverence, and rebellion come to be not liberating but enfeebling in the culture«. Wallace erklärt sein Unbehagen an der »pervasive cultural irony« mit deren Gleichgültigkeit: »All irony is a variation on a sort of existential poker-face. All U.S. irony is based on an implicit ›I don’t really mean what I say.‹ […] Most likely, I think, today’s irony ends up saying: ›How very banal to ask what I mean.‹«.[38] Die literarische Konsequenz aus dieser Fatalität der Ironie könne daher nur in einer neuen Hinwendung zum Ernst bestehen bzw. in der Verpflichtung von Dichtung auf moralische Verbindlichkeit: »The next real literary ›rebels‹ in this country might well emerge as some weird bunch of ›anti-rebels,‹ born oglers who dare to back away from ironic watching, who have the childish gall actually to endorse single-entendre values. Who treat old untrendy human troubles and emotions in U.S. life with reverence and conviction. Who eschew self-consciousness and fatigue«.[39]

Dass aller Ironie in poetischer wie in ethischer Hinsicht »something fearful«[40] innewohnt, beklagt zwei Jahre vor 9/11 auch Jedediah Purdy in For Common Things. Irony, Trust and Commitment in America Today und mahnt eine Rückkehr zu denjenigen gemeinschaftlichen Werten an, die sich in der Beliebigkeit postmoderner Ironie verloren hätten. Im deutschsprachigen Bereich konstatiert Karl Heinz Bohrer, als Ironiker strikter Observanz freilich noch auf Abhilfe hoffend, ebenfalls vor 2001 das Verschwinden ironischen Sprechens,[41] während Christian Kracht seiner 1999 unter dem Titel Mesopotamia herausgegebenen Prosa-Anthologie mit erheblicher publizistischer Breitenwirkung ein Song-Zitat der Brit Pop-Band Pulp als Motto mitgibt, dessen Selbstironie freilich intrikat ist: ›Irony is over. Bye bye‹.[42] Da ›Mesopotamia‹, wie das ›Volksbuch‹ Die Schiltbürger von 1655 weiß, »hinter Utopia gelegen« ist,[43] bezieht Krachts Sammlung ›ernster Geschichten am Ende des Jahrtausends‹ ihr Pathos aus der Absage an die politischen Beglückungshoffnungen des 20. Jahrhunderts und dementiert zugleich bewusst das eigene Dementi der Ironie.

So wie im frühen 19. Jahrhundert auf den Überschwang romantischer Ironie ein bedächtigerer Realismus gefolgt ist, dem die poetische Potenzierung der Lebenswelt sogar im Medium des Kausalitätsprinzips gelingt, hat auch das Missvergnügen an der Ubiquität postmoderner Ironie bzw. Beliebigkeit eine Serie von Realismus-Forderungen bzw. das Verlangen nach einem neuen Ernst des Weltbezugs von Literatur[44] anstelle des selbstgenügsamen Spiels der Zeichen hervorgebracht. In diesem Licht kann auch die Postmodernität von Romanen wie Christoph Ransmayrs Die letzte Welt verdächtig werden, weil darin nicht allein von Büchern die Rede ist; in durchsichtiger Verschlüsselung werden vielmehr Grundsorgen der Gegenwart im Wissen um die historische Tatsache des Holocaust gestaltet (vgl. S. 111), sodass die Erzählung um die Suche nach Ovids Metamorphosen und seiner Autorschaft trotzdem auf die außerliterarische Wirklichkeit Bezug nimmt und sie kommentiert. In durchaus ähnlicher Weise haben seinerzeit ›spätromantische‹ Autoren in ›Zeitromanen‹ die ironischen Erzählverfahren der Jenenser Frühromantiker zwar aufgegriffen, zugleich aber mit weltanschaulichem Ernst durchsetzt, indem sie wie Achim von Arnim in Armuth Reichthum Schuld und Buße der Gräfin Dolores (1810) und Joseph von Eichendorff in Ahnung und Gegenwart (1815/41) allegorisierend auf die Folgen der Französischen Revolution Bezug nehmen und daraus den Anspruch ableiten, inmitten totaler Irritation durch Poesie neue Möglichkeiten der sittlichen Festigung aufzuzeigen.[45]

Das Manifest Relevanter Realismus (2005), zu dem sich von ursprünglich fünf Verfassern bald nur noch Matthias Politycki bekannt hat, sucht im Bewusstsein einer »›unheimlich‹ gewordenen Welt« postmoderner Desorientiertheit gleichermaßen nach einem Realismus, der poetisch nicht hinter das erreichte Erzählniveau zurückfällt und doch in der Lage ist, dadurch zur weiteren »Bewohnbarkeit« unserer Wirklichkeit beizutragen, dass der »Schreibende eine erkennbare Position bezieht, die moralische Valeurs mit ästhetischen Mitteln beglaubigt«. Indem der »Relevante Realist seinen Stoff so kunstvoll zur Fiktion« arrangiert, »daß sie beim oberflächlichen Lesen mit einem Abbild der Wirklichkeit verwechselt werden könnte«, soll jeweils ein »Standpunkt« deutlich werden, der im Medium erzählerischen Gelingens »die ästhetisch-moralische Verantwortung eines Schriftstellers«[46] zur Geltung bringt. Ein »inszenierter Realismus« dieser Art hätte in Anbetracht der – als solcher unüberbrückbaren – Kluft zwischen Kunst und Wirklichkeit die Aufgabe, der Literatur auch in der Lebenswelt wieder Gewicht zu verschaffen, ohne Abstriche bei ihrem Unterhaltungwert in Kauf nehmen zu müssen. Noch ausdrücklicher als Überlegungen zu einem ›nicht mehr postmodernen‹ Schreiben versteht Alban Nikolai Herbst das Konzept eines ›kybernetischen Realismus‹, der als ›zeitgenössische Dichtung‹ seiner »Zeit entsprechen und ihr dabei nicht nur ein Spiegel sein, sondern sie auch maßgeblich mitformen will«.[47] Dieser ›kybernetische‹, weil das Verhältnis zur Realität bewusst steuernde[48] Realismus zielt darauf, die postmodernen Ästhetiken abzulösen, indem er »ihre poetischen Ergebnisse bündelt und mit (über)lebensfähigen Theoremen der Moderne vereinigt«.[49] Damit ist in erster Linie gemeint, dass es um keinen mimetischen Realismus geht, sondern um die Verfremdung der Realität durch poetische Fantastik, von der Herbst eine ›aufklärende‹ Wirkung bzw. Widerstand gegen die Gegebenheiten der Lebenswelt erwartet.[50] Literarische Kunst, die in diesem Sinn »sowohl nach-postmodern ist wie dem Prinzip des Widerstands verpflichtet«, müsse sich als Opposition gegen den »ökonomischen Rahmen« der Gleichförmigkeit dadurch entziehen, dass sie planvoll mit Dissonanzen arbeitet und schon aus dem Grund das ›frühmoderne‹ Konzept der Collage aufgreift, »weil die Vollendung des Marktanspruchs derart rigide auf Urheberschaften beharrt«. Hierzu gehöre in erster Linie, im Interesse einer »nach-postmodernen Ästhetik« nicht allein unterschiedliche Genres ineinander zu verschränken, sondern erst recht »Allerpersönlichstes, sagen wir Sexualität, in allgemeine Themen zu implantieren«.[51]

Dass sich Dichter mit ihrer empirischen Identität in fiktionale Texte einschreiben, ist eine schon seit der Frühromantik geläufige Praxis (besonders markant bei E. T. A. Hoffmann und Jean Paul), die im Kern auf das Vorbild von Cervantes’ Don Quijote zurückgeht. Was um 1800 dem Zweck gedient hat, das Erzählen durch Selbstreferenzialität zu enttrivialisieren, ist als – während der ersten Jahre des 21. Jahrhunderts auffällige – Schreibstrategie der ›Auto(r)fiktion‹[52] mit Friedrich Schlegels Theorem einer ›Transzendentalpoesie‹ (vgl. S. 80) nicht mehr angemessen zu erfassen. Bret Easton Ellis erzählt in Lunar Park (2005) in Teilen authentisch von der Entwicklung seiner Autorschaft, verschmilzt seinen ›Bret Easton Ellis‹ mit der Zeit aber zunehmend mit Figuren des eigenen Œuvres und dementiert dabei die konventionelle Elementardifferenz von ›real‹ vs. ›fiktiv‹; Michel Houellebecqs La carte et le territoire (2010) handelt von der ungefähr auf das Jahr 2018 datierten Ermordung des Schriftstellers ›Michel Houellebecq‹, die in ihrer Bestialität von Fred Vargas’ Kriminalroman Un lieu incertain (2008) inspiriert sein dürfte. Vor allem aber haben deutschsprachige Autoren, besonders prominent Thomas Glavinic in Das bin doch ich (2007) und Felicitas Hoppe in Hoppe (2012), dieses Konzept einer Autor und Text, Faktizität und Fiktionalität identifizierenden ›Auto(r)fiktion‹ aufgegriffen und weiterentwickelt. Die Lebensrealität der Verfasser wird dabei ausdrücklich zum poetischen Material gemacht, in dem kein Leser die Tatsachen noch zuverlässig von der Erfindung unterscheiden kann. Der mit seinem bürgerlichen Namen auftretende ›Autor‹ fungiert im eigenen Text insofern als ›Realitätseffekt‹,[53] der die Verweisungsfunktion des Zeichens ›Name‹ unübersehbar in Frage stellt und die Lektüre gründlich irritiert, weil die scheinbare Mimesis sich selber widerspricht. Selbst dort, wo – wie im Falle von Maxim Billers Esra (2003) – das Bundesverfassungsgericht als externe Instanz feststellt, dass ein bestimmter Text belegbar auf Wirklichkeit Bezug nimmt, bleibt notwendigerweise offen, was im Einzelnen ›stimmt‹ oder nicht, und der ontologische Status des Textes entzieht sich jeder Festlegung.[54]

Das Erzählen des beginnenden 21. Jahrhunderts ist damit in der Tat von einer ›Rückkehr des Autors‹ gekennzeichnet, die literaturwissenschaftlich schon aus dem Grund unvermeidlich war, dass Roland Barthes’ polemische Todeserklärung von 1967/68 allzu ungeschlacht verfährt und keine Rücksicht darauf nimmt, dass selbst die genuin ›postmoderne‹ Literatur der Autor-Intention nolens volens Raum gibt. Weil hinter dem »Gewebe von Zitaten aus unzähligen Stätten der Kultur«[55] eben doch das wie immer vage, daher heikle ›Sagen-Wollen‹ eines empirischen Subjekts steht (vgl. S. 48/58), muss das Interpretieren bzw. Auslegen (das ›Entziffern‹ und nicht bloß ›Entwirren‹ des Wortgeflechts) als literaturwissenschaftliches Verfahren zulässig bleiben. Umberto Ecos Il nome della rosa belegt das schlagend: Indem die Vorbemerkung ›Naturalmente, un manoscritto‹ den Roman als einen Text ausgibt, zu dessen Quelle kein Weg mehr zurückführt, inszeniert sie die epische Bestätigung des Theorems vom ›Tod‹ bzw. ›Verschwinden‹ des ›Autors‹ und falsifiziert es doch uno actu, weil der scripteur von Vorbemerkung und Roman um die einschlägigen Lehrsätze wissen musste, um sie in der Narration derart schlackenlos umzusetzen: Die Erzählung davon, dass Adson von Melk sich allen Nachforschungen entzogen habe, macht ihren Aufschreiber gerade dadurch, dass sie Roland Barthes’ Argumentation in Fiktion umsetzt, zum ›Autor‹ seines ›Werks‹, der entschieden als sein eigener ›hors-texte‹ zur Geltung kommen will (vgl. S. 49.). Pointiert formuliert heißt das, dass es gerade die autorkritische Argumentation bei Roland Barthes und Michel Foucault ist (vgl. S. 56-60), die dem ›Autor‹ sein Überleben als Autorität über den Text und dessen Sinn sichert.

Abgesehen davon, dass es dem philologischen common sense nie ganz eingeleuchtet hat, von Rückfragen beim empirischen Verfasser grundsätzlich Abstand nehmen zu müssen, weil das bei der großen Mehrheit von Schriftstellern und Werken doch unzweifelhaft ertragreich ist, mündet die theoretische Formulierung des poststrukturalistischen ›Text‹-Konzepts in die logische Zwickmühle der Selbstaufhebung: Ein scripteur, der vom ›Tod des Autors‹ weiß und ihn akzeptiert, kann nicht anders als dementsprechend schreiben zu ›wollen‹; er muss sich daher auch gefallen lassen, dass ihm das Geschriebene zugerechnet wird, da seine Autorschaft dem Text tatsächlich vorangegangen ist. Das heißt letztlich, dass die Einsicht in die Aporien postmoderner Theoreme und Schreibpraktiken umso mehr nahelegt, die Postmoderne als Epoche zu historisieren, um den dadurch geschärften Blick auf ihre Folgen richten zu können: »It may be a good advice to forget postmodernity – but not before knowing what it has been«.[56]

Nicht nur weil die postmoderne écriture subjektloser Intertextualität in ihren Grenzen bewusst geworden ist, kann mittlerweile anders geschrieben werden. Die literarische Produktivität verlangt ohnehin nach beständiger Innovation, die das, was zuvor en vogue war, allerdings nicht einfach vergessen kann. So wie seit dem Ende des 20. Jahrhunderts unter dem Stichwort des ›Neurealismus‹ ein ironiekritisches Bedürfnis nach wiederzugewinnender Verbindlichkeit des Denkens (in Abkehr von différance-bewusster Relativität) nach Geltung verlangt, zeichnet sich in der zeitgenössischen Literatur eine neuerliche Betonung lebensweltlicher Relevanz ab, die als Ironie zweiten Grades den weltanschaulichen Ernst ins Spiel der Zeichen zu integrieren vermag. Als unter einander höchst unterschiedliche Referenztexte eines solchen post-postmodernen Schreibens, das der postmodernen Verfahren eingedenk ist, dabei aber nicht stehen bleibt, wäre Thomas Pynchons 9/11-Roman Bleeding Edge (2013) ebenso anzuführen wie Michel Houellebecqs Islamisierungssatire Sousmission (2015), aber auch schon Nick McDonells kaltblütiger Drogenroman Twelve (2002) oder Roberto Bolaños 2666 (2004) um eine Mordserie an chilenischen Frauen.

Als deutschsprachige Kandidaten für die Zurechnung zu einer ›nicht mehr postmodernen‹ Literatur, die ihren Realitätsbezug im Bewusstsein unvermeidlicher ›Schriftlichkeit‹ artifiziell konstruiert, könnten Rainald Goetz’ poetisch doppelbödiger Unternehmer-Schlüsselroman Johann Holtrop (2012) oder Clemens J. Setz’ ›auto(r)fiktionaler‹ Roman Indigo (2012) gleichermaßen in Betracht kommen wie zuvor Clemens Meyers ›Tagebuch‹ des Jahres 2009 Gewalten (2010), das Ereignisse der Zeitgeschichte mit dem Privatleben des Verfassers verschneidet, oder das gesamte Prosawerk Daniel Kehlmanns.[57] Das bis dato größte Aufsehen hat Christian Krachts Imperium (2012) erregt, das die durchaus gut dokumentierte Vita des Kokosnuss-Apostels August Engelhardt (1875-1919) zum Teil gegen die Fakten erzählt, um sie gerade dadurch als Parabel auf die Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts lesbar zu machen. Welchem Titel es letztlich gelingt, in Analogie zu Umberto Ecos postmodernem Paradigma Il nome della rosa die gegenwärtige Literatur auf einen Epochen-Begriff zu bringen, ist vorderhand jedoch nicht abzusehen. Bis auf Weiteres wird man sich damit behelfen müssen, die Neuerscheinungen in der Vielfalt bzw. Offenheit ihrer ›nicht mehr postmodernen‹ Eigen­heiten zu beobachten.


Fußnotenapparat

[1] Vgl. Gabriel, Markus: Warum es die Welt nicht gibt. Berlin 2013, S. 10; Ferraris, Maurizio: Manifest des Neuen Realismus. Aus dem Italienischen von Malte Osterloh. Frankfurt/M. 2014 (Recht als Kultur 6), S. 13; Ferraris, Maurizio: Was ist der Neue Realismus? Aus dem Italienischen von Malte Osterloh. In: Der Neue Realismus. Herausgegeben von Markus Gabriel. Berlin 2014 (stw 2099), S. 52-75, hier S. 52.

[2] Vgl. Müller, Hans-Peter: Das stille Ende der Postmoderne. Ein Nachruf. In: Bohrer, Karl Heinz / Scheel, Kurt (Hrsgg.): Postmoderne. Eine Bilanz. Sonderheft Merkur. Zeitschrift für europäisches Denken. Stuttgart 1998, S. 975-981; Hermand, Jost: Nach der Postmoderne. Ästhetik heute. Köln – Weimar – Wien 2004.

[3] Riedweg, Christoph: Einleitung. In: Riedweg, Christoph (Hrsg.): Nach der Postmoderne. Aktuelle Debatten zu Kunst, Philosophie und Gesellschaft. Basel 2014, S. 7-21, hier S. 7.

[4] Vgl. Toth, Josh: The Passing of Postmodernism. A Spectroanalysis of the Contemporary. Albany 2010, speziell S. 1-35.

[5] Hutcheon, Linda: The Politics of Postmodernism. 2nd edition. New York – London 2002, S. 166.

[6] Vgl. insbesondere Vermeulen, Timoteus / Akker, Robin van den: Notes on metamodernism. In: Journal of Aesthetics & Culture 2/2010, http://aestheticsandculture.net/index.php/jac/article/view/5677/6304.

[7] Bohrer, Karl Heinz / Scheel, Kurt: <Vorbemerkung>. In: Bohrer, Karl Heinz / Scheel, Kurt (Hrsgg.): Wirklichkeit! Was heißt Realismus heute? Sonderheft Merkur. Zeitschrift für europäisches Denken. Stuttgart 2005, S. 749f., hier S. 749.

[8] Boghossian, Paul: Fear of Knowledge. Against Relativism and Constructivism. Oxford – New York 2006, S. 57.

[9] Nagel, Thomas: The Last Word. New-York – Oxford 1997, S. 15/19.

[10] Gabriel, Markus: Warum es die Welt nicht gibt. Berlin 2013, S. 10f.

[11] Ferraris, Maurizio: Manifest des Neuen Realismus. Aus dem Italienischen von Malte Osterloh. Frankfurt/M. 2014 (Recht als Kultur 6), S. 16: »Gli ultimi anni hanno infatti insegnato una amara verità. E cioè che il primato delle interpretazioni sopra i fatti, il superamento del mito della oggettività si è compiuto, ma non ha avuto gli esiti emancipativi profetizzati dai professori« (Ferraris, Maurizio: Manifesto del nuovo realismo. Roma – Bari 2014, S. 5).

[12] Ferraris, Maurizio: Manifest des Neuen Realismus. Aus dem Italienischen von Malte Osterloh. Frankfurt/M. 2014 (Recht als Kultur 6), S. 82: »Sbagliando si impara, o altri imparano. Dire addio alla verità è non solo un dono senza controdono che si fa al ›Potere‹, ma soprattutto la revoca della sola chance di emancipazione che sia dasta all’umanità, il realismo, contro l’illusione e il sortilegio« (Ferraris, Maurizio: Manifesto del nuovo realismo. Roma – Bari 2014, S. 112).

[13] Nietzsche, Friedrich: Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe in 15 Bänden. Herausgegeben von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. München 1980, Bd. XII, S. 315.

[14] Ferraris, Maurizio: Manifest des Neuen Realismus. Aus dem Italienischen von Malte Osterloh. Frankfurt/M. 2014 (Recht als Kultur 6), S. 14: »[…] quelli che a mio avviso sono i due dogmi del postmoderno: che tutta la realtà sia socialmente costruita e infinitamente manipolabile, e che la verità sia una nozione inutile perché la solidarietà è più importante della oggettività« (Ferraris, Maurizio: Manifesto del nuovo realismo. Roma – Bari 2014, S. XI).

[15] Ferraris, Maurizio: Manifest des Neuen Realismus. Aus dem Italienischen von Malte Osterloh. Frankfurt/M. 2014 (Recht als Kultur 6), S. 13: »[…] il pendolo del pensiero, che nel Novecento inclinava verso l’antirealismo nelle sue varie versioni (ermeneutica, postmodernismo, ›svolta linguistica‹ ecc.), con il tornante del secolo si era spostato verso il realismo […]« (Ferraris, Maurizio: Manifesto del nuovo realismo. Roma – Bari 2014, S. IX).

[16] Riedweg, Christoph: Einleitung. In: Riedweg, Christoph (Hrsg.): Nach der Postmoderne. Aktuelle Debatten zu Kunst, Philosophie und Gesellschaft. Basel 2014, S. 7-21, hier S. 8.

[17] Gabriel, Markus: Warum es die Welt nicht gibt. Berlin 2013, S. 13.

[18] Boghossian, Paul: Fear of Knowledge. Against Relativism and Constructivism. Oxford – New York 2006, S. 57.

[19] Ferraris, Maurizio: Politik und Philosophie von der Postmoderne zum Neuen Realismus [Aus dem Italienischen von Martina Kempter]. In: Riedweg, Christoph (Hrsg.): Nach der Post­moderne. Aktuelle Debatten zu Kunst, Philosophie und Gesellschaft. Basel 2014, S. 61-82, hier S. 81.

[20] Vgl. Nagel, Thomas: The Last Word. New-York – Oxford 1997, S. 14.

[21] Vgl. Nagel, Thomas: The Last Word. New-York – Oxford 1997, S. 38.

[22] Vgl. Gumbrecht, Hans Ulrich: Diesseits des Sinns. Über eine neue Sehnsucht nach Substantialität. In: Bohrer, Karl Heinz / Scheel, Kurt (Hrsgg.): Wirklichkeit! Was heißt Realismus heute? Sonderheft Merkur. Zeitschrift für europäisches Denken. Stuttgart 2005, S. 751-761, hier S. 752.

[23] Houellebecq, Michel: Die Welt als Supermarkt. Interventionen. Aus dem Französischen von Hella Faust. Köln 1999, S. 66: »Compte tenu du discours quasi féerique par les médias, il est facile de faire preuve de qualités littéraires en développant l’ironie, la négativité, le cynisme. C’est après que cela devient très difficile : quand on souhaite dépasser le cynisme« (Houellebecq, Michel: Interventions. [Paris] 1998, S. 111).

[24] Houellebecq, Michel: Ausweitung der Kampfzone. Roman. Aus dem Französischen von Leopold Federmair. Berlin 1999, S. 43: »La forme romanesque n’est pas conçue pour peindre l’indifférence, ni le néant ; il faudrait inventer une articulation plus plate, plus concise et plus morne« (Houellebecq, Michel: Houellebecq 1991-2000. Paris 2015, S. 297f.).

[25] »Zu einem Zeitpunkt, da die letzten Vertreter dieser Spezies im Aussterben begriffen sind, halten wir es für legitim, der Menschheit diese letzte Huldigung darzubringen – eine Huldigung, die ihrerseits allmählich verblassen und sich im Treibsand der Zeit verlieren wird; dennoch ist es nötig, daß diese Huldigung wenigstens einmal erfolgt. Dieses Buch ist dem Menschen gewidmet« (Houellebecq, Michel: Elementarteilchen. Aus dem Französischen von Uli Wittmann. Köln 1999, S. 357). / »Au moment où ses derniers représentants vont s’éteindre, nous estimons légitime de rendre à l’humanité ce dernier hommage ; hommage qui, lui aussi, finira par s’effacer et se perdre dans les sables du temps ; il est cependant nécessaire que cet hommage, au moins une fois, ait été accompli. Ce livre est dédié à l’homme« (Houellebecq, Michel: Houellebecq 1991-2000. Paris 2015, S. 909).

[26] Houellebecq, Michel: Elementarteilchen. Aus dem Französischen von Uli Wittmann. Köln 1999, S.  354: »Le ridicule global dans lequel avaient subitement sombré, après des décennies de surestimation insensée, les travaux de Foucault, de Lacan, de Derrida et de Deleuze ne devait sur le moment laisser le champ libre à aucune pensée philosophique neuve« (Houellebecq, Michel: Houellebecq 1991-2000. Paris 2015, S. 906).

[27] Strauß, Botho: Der junge Mann. München – Wien 1984, S. 15.

[28] Strauß, Botho: Der junge Mann. München – Wien 1984, S. 206.

[29] Vgl. Meier, Albert: Tolerante Mißachtung der Mehrheit. Botho Strauß’ Roman Der junge Mann als Erzählen gegen die Entropie. In: Epische Großformen. Tradiertes und modernes Erzählen. Beiträge einer polnisch-deut­schen Vortragsreihe im Institut für Germanische Philologie der Adam–Mickiewicz-Universität Poznan (Dezember 1998). Redaktion: Roman Dziergwa. Poznań 1999 (Studia Germanica Posnaniensia XXV), S. 29-38.

[30] Bohrer, Karl Heinz: Sprachen der Ironie – Sprachen des Ernstes. Das Problem. In: Bohrer, Karl Heinz (Hrsg.): Sprachen der Ironie – Sprachen des Ernstes. Frankfurt/M. 2000 (es 2083), S. 11-35, hier S. 22.

[31] Bohrer, Karl Heinz: Sprachen der Ironie – Sprachen des Ernstes. Das Problem. In: Bohrer, Karl Heinz (Hrsg.): Sprachen der Ironie – Sprachen des Ernstes. Frankfurt/M. 2000 (es 2083), S. 11-35, hier S. 14.

[32] Schlegel, Friedrich: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Herausgegeben von Ernst Behler unter Mitwirkung von Jean-Jacques Anstett und Hans Eichner. München – Paderborn – Wien – Zürich 1958ff., Bd. II, S. 370.

[33] Schlegel, Friedrich: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Herausgegeben von Ernst Behler unter Mitwirkung von Jean-Jacques Anstett und Hans Eichner. München – Paderborn – Wien – Zürich 1958ff., Bd. II, S. 369.

[34] Schlegel, Friedrich: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Herausgegeben von Ernst Behler unter Mitwirkung von Jean-Jacques Anstett und Hans Eichner. München – Paderborn – Wien – Zürich 1958ff., Bd. XVI, S. 144.

[35] Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Werke. Band 13: Vorlesungen über die Ästhetik I. Auf der Grundlage der Werke von 1832-1845 neu edierte Ausgabe. Redaktion Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel. Frankfurt/M. 1986 (stw 613), S. 211 und 97.

[36] Vgl. http://www.thewire.com/national/2011/09/death-irony-and-its-many-reincarnations/42298/.

[37] Pynchon, Thomas: Bleeding Edge. A Novel. New York 2013, S. 335.

[38] Wallace, David Foster: E Unibus Pluram. Television and U.S.-Fiction. In: Review of Contemporary Fiction 13:2 (1993), S. 151-194, hier S. 183f.

[39] Wallace, David Foster: E Unibus Pluram. Television and U.S.-Fiction. In: Review of Contemporary Fiction 13:2 (1993), S. 151-194, hier S. 192f.

[40] Purdy, Jedediah: For Common Things. Irony, Trust, and Commitment in America Today. New York 1999, S. XI.

[41] Vgl. Bohrer, Karl Heinz: Sprachen der Ironie – Sprachen des Ernstes. Das Problem. In: Bohrer, Karl Heinz (Hrsg.): Sprachen der Ironie – Sprachen des Ernstes. Frankfurt/M. 2000 (es 2083), S. 11-35, hier S. 13.

[42] Vgl. Meier, Albert: Irony Is Over. Der Verzicht auf Selbstreferenzialität in der neuesten Prosa. In: Detering, Heinrich (Hrsg.): Autorschaft. Positionen und Revisionen. Stuttgart – Weimar 2002 (Germanistische Symposien. Berichtsbände XXIV), S. 570-581, hier S. 574.

[43] Vgl. Ertz, Stefan: Schilda und die Schildbürger. In: Euphorion 59 (1965), S. 386-400, hier S. 392.

[44] Vgl. Schilling, Erik: Literarische Konzepte von Zeit nach dem Ende der Postmoderne. In: Poetiken der Gegenwart. Deutschsprachige Romane nach 2000. Herausgegeben von Silke Horstkotte und Leonhard Herrmann. Berlin – Boston (spectrum Literaturwissenschaft 37), S. 173-187, S. 187.

[45] Vgl. Meier, Albert: Goethezeit. In: Geschichte des deutschsprachigen Romans. Herausgegeben von Volker Meid. Stuttgart 2013, S. 163-304, speziell S. 282-292.

[46] Politycki, Matthias: Relevanter Realismus. In: Vom Verschwinden der Dinge in der Zukunft. Hrsg. von Matthias Politycki. Hamburg 2007, S. 102-106, hier S. 104f.

[47] Herbst, Alban Nikolai: Kybernetischer Realismus. Heidelberger Vorlesungen. Heidelberg 2008, S. 44.

[48] Herbst, Alban Nikolai: Kybernetischer Realismus. Heidelberger Vorlesungen. Heidelberg 2008, S. 58.

[49] Herbst, Alban Nikolai: Kybernetischer Realismus. Heidelberger Vorlesungen. Heidelberg 2008, S. 81.

[50] Vgl. Herbst, Alban Nikolai: Das Flirren im Sprachraum. Phantastische Räume I. In: Herbst, Alban Nikolai: Schöne Literatur muss grausam sein. Aufsätze und Reden I. Berlin 2012, S. 55-86.

[51] Herbst, Alban Nikolai: Kybernetischer Realismus. Heidelberger Vorlesungen. Heidelberg 2008, S. 33.

[52] Vgl. Wagner-Egelhaaf, Martina (Hrsg.): Auto(r)fiktion. Literarische Verfahren der Selbstkonstruktion. Bielefeld 2013.

[53] Vgl. Meier, Albert: Realitätsreferenz und Autorschaft. In: Krumrey, Birgitta / Vogler, Ingo / Derlin, Katharina (Hrsgg.): Realitätseffekte in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Schreibweisen nach der Postmoderne? Heidelberg 2014, S. 23-34.

[54] Vgl. Meier, Albert: Kunstfreiheit vs. Persönlichkeitsschutz. Maxim Billers Esra zwischen Poesie und Justiz. In: Friedrich, Hans-Edwin (Hrsg.): Literaturskandale. Frankfurt am Main − Berlin − Bern − Bruxelles − New York − Oxford – Wien 2009, S. 217-230.

[55] Barthes, Roland: Der Tod des Autors (deutsche Übersetzung: Matias Martinez). In: Texte zur Theorie der Autorschaft. Herausgegeben und kommentiert von Fotis Jannidis, Gerhard Lauer, Matias Martinez und Simone Winko. Stuttgart 2000 (rub 18058), S. 185-193, S. 190.

[56] Luhmann, Niklas: Why Does Society Describe Itself as Postmodern? In: Cultural Critique 30 (1995): The Politics of Systems and Environments, Part I, S. 171-186, hier S. 177

[57] Zu Kehlmanns eventueller Post-Postmodernität vgl. Bareis: Bareis, J. Alexander: Moderne, Postmoderne, Metamoderne? Poetologische Positionen im Werk Daniel Kehlmanns, in: Die Unendlichkeit des Erzählens. Der Roman der deutschen Gegenwartliteratur seit 1989. Hg. Von Carsten Rohde und Hansgeorg Schmidt-Bergmann, Bielefeld 2013.