Lehre vom mehrfachen Schriftsinn
(f.), Verfahren der Allegorese, das hinter dem wörtlichen Sinn eines Textes mehrere Bedeutungsebenen ausmacht. In der für die christliche Bibelexegese bedeutsamen Lehre vom vierfachen Schriftsinn werden unterschieden: 1. der sensus litteraris oder historicus (der Wortsinn eines Textes: z. B. Jerusalem als historische Stadt), 2. der sensus allegoricus (der allegorische Sinn: Jerusalem als Kirche Christi), 3. der sensus moralis (die moralische Lehre: Jerusalem als Seele des einzelnen Gläubigen), 4. der sensus anagogicus (der Verweis auf die Eschatologie: das himmlische Jerusalem als künftiges Gottesreich). Im Mittelalter wurde die Lehre vom mehrfachen Schriftsinn auch für die Auslegung heidnischer Texte antiker Autoren fruchtbar gemacht, die somit einer christlichen Deutung zugänglich wurden.