Johann Wolfgang Goethe: Einführung
Sommersemester 2017
Professor Dr. Albert Meier
»Nur einen Begriff zu haben daß so etwas in der Welt ist, daß so etwas zu machen möglich war, macht einen zum doppelten Menschen. Wie gern sagt’ ich etwas drüber, wenn nicht alles was man über so ein Werk sagen kann, leerer Windhauch wäre. Die Kunst ist deshalb da, daß man sie sehe, nicht davon spreche, als höchstens in ihrer Gegenwart. Wie schäme ich mich alles Kunstgeschwätzes, in das ich ehmals einstimmte.«1
Goethe, Johann Wolfgang: Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens. Münchner Ausgabe. Herausgegeben von Karl Richter in Zusammenarbeit mit Herbert G. Göpfert, Norbert Miller, Gerhard Sauder und Edith Zehm. Band 15.1: Italienische Reise. Herausgegeben von Andreas Beyer und Norbert Miller. München – Wien 1992, S. 399.
Goethe, Johann Wolfgang: Über Laokoon:
»Ein echtes Kunstwerk bleibt, wie ein Naturwerk, für unsern Verstand immer unendlich; es wird angeschaut, empfunden; es wirkt, es kann aber nicht eigentlich erkannt, vielweniger sein Wesen, sein Verdienst mit Worten ausgesprochen werden.”
Goethe, Johann Wolfgang: Über Laokoon. In: Goethe, Johann Wolfgang: Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens. Münchner Ausgabe. Herausgegeben von Karl Richter in Zusammenarbeit mit Herbert G. Göpfert, Norbert Miller und Gerhard Sauder. Band 4.2: Wirkungen der Französischen Revolution 1791–1797. Teil 2. Herausgegeben von Klaus H. Kiefer, Hans J. Becker, Gerhard H. Müller, John Neubauer und Peter Schmidt. München – Wien 1986, S. 73–88, hier S. 73.
Goethe, Johann Wolfgang: An Herzog Carl August, 3. 2. 1787:
»Die Kunstwercke der ersten Klaße müßte man von Zeit zu Zeit wiedersehen können, in ihnen ist ein unabsehlicher Abgrund.«
Goethe, Johann Wolfgang: Italienische Reise I. 64. An Carl August Herzog von Sachsen–Weimar und Eisenach Rom, 3. Februar 1787. In: Briefe. Hg. von Georg Kurscheidt, Norbert Oellers und Elke Richter. Band 7.1. S. 111–113, hier S. 112.
Goethe, Johann Wolfgang: Ein Roman:
»Kennst du das Land? wo die Zitronen blühn,
Im dunkeln Laub die Gold-Orangen glühn,
Ein sanfter Wind vom blauben Himmel weht,
Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht
Kennst du es wohl?
Dahin! Dahin!
Mögt ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn.
Kennst du das Haus? auf Säulen ruht sein Dach,
Es glänzt der Saal, es schimmert das Gemach,
Und Marmorbilder stehn und sehn mich an:
Was hat man dir, du armes Kind, getan?
Dahin! Dahin!
Mögt ich mit dir, o mein Beschützer, ziehn.
Kennst du den Berg und seinen Wolkensteg?
Das Maultier sucht im Nebel seinen Weg,
In Höhlen wohnt der Drachen alte Brut,
Es stürzt der Fels und über ihn die Flut.
Kennst du ihn wohl?
Dahin! Dahin!
Geht unser Weg! o Vater, laß uns ziehn!«
Goethe, Johann Wolfgang: Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens. Münchner Ausgabe. Herausgegeben von Karl Richter in Zusammenarbeit mit Herbert G. Göpfert, Norbert Miller und Gerhard Sauder. Band 5: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Ein Roman. Herausgegeben von Hans–Jürgen Schings. München – Wien 1988, S. 142.
Goethe, Johann Wolfgang: Erhabne Grossmama:
»Bei dem erfreulichen Anbruche
Des 1757. Jahres
wollte
Seinen
Hochgeehrtesten und Herzlichgeliebten
Groß Eltern
Die Gesinnungen Kindlicher Hoch-
achtung und Liebe
durch
Folgende Segens Wünsche
zu erkennen geben
Deroselben
Treugehorsamster Enkel
Johann Wolfgang Goethe
[…]
ERHABNE GROSSMAMA!
Des Jahres erster Tag
Erweckt in meiner Brust ein zärtliches Empfinden,
Und heißt mich ebenfalls Sie jetzo anzubinden
Mit Versen, die vielleicht kein Kenner lesen mag;
Indessen hören Sie die schlechte Zeilen an,
Indem sie wie mein Wunsch aus wahrer Liebe fließen
Der Segen müsse sich heut über Sie ergießen,
Der Höchste schütze Sie, wie er bisher getan.
Er wolle Ihnen stets, was Sie sich wünschen, geben,
Und lasse Sie noch oft ein Neues Jahr erleben.
Dies sind die Erstlinge, die Sie anheut empfangen,
Die Feder wird hinfort mehr Fertigkeit erlangen.«
Goethe, Johann Wolfgang: Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens. Münchner Ausgabe. Herausgegeben von Karl Richter in Zusammenarbeit mit Herbert G. Göpfert, Norbert Miller und Gerhard Sauder. Band 1.1: Der junge Goethe. 1757–1775. Herausgegeben von Gerhard Sauder. München – Wien 1985, S. 75f.
Goethe, Johann Wolfgang: Das Schreien:
»DAS SCHREIEN
NACH DEM ITALIÄNISCHEN
Jüngst schlich ich meinem Mädgen nach,
Und ohne Hindernüs
Umfaßt’ ich sie im Hain; sie sprach:
Laß mich, ich schrei gewiß.
Da droht’ ich trotzig: Ha, ich will
Den töten, der uns stört.
Still, winkt sie lispelnd, Liebster, still,
Damit dich niemand hört.«
Goethe: Sämtliche Werke (Anm. 5), S. 120.
Goethe, Johann Wolfgang: Tagebücher und Gespräche:
»Genug ich habe noch aus Elsas zwölf Lieder mitgebracht, die ich auf meinen Streiffereyen aus
denen Kehlen der ältsten Müttergens aufgehascht habe. Ein Glück! denn ihre Enckel singen alle: ich
liebte nur Ismenen.«
Goethe, Johann Wolfgang: An Johann Gottfried Herder, September 1771. In: Goethe, Johann Wolfgang: Sämtliche Werke, Briefe, Tagebücher und Gespräche. Vierzig Bände. II. Abteilung: Briefe, Tagebücher und Gespräche. Herausgegeben von Karl Eibl zusammen mit Horst Fleig u. a. Band 1 (28): Von Frankfurt nach Weimar. Briefe, Tagebücher und Gespräche vom 23. Mai 1764 bis 30. Oktober 1775. Herausgegeben von Wilhelm Große. Frankfurt am Main 1997 (Bibliothek deutscher Klassiker 139), S. 239f., hier S. 239.
Goethe, Johann Wolfgang: Heidenröslein:
»Sah ein Knab’ ein Röslein stehn,
Röslein auf der Heiden,
War so jung und morgenschön
Lief er schnell es nah zu sehn
Sah’s mit vielen Freuden.
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.
Knabe sprach: ich breche dich,
Röslein auf der Heiden!
Röslein sprach: ich steche dich,
Daß du ewig denkst an mich,
Und ich will’s nicht leiden.
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.
Und der wilde Knabe brach
‘s Röslein auf der Heiden;
Röslein wehrte sich und stach,
Half ihr doch kein Weh und Ach,
Mußte es eben leiden.
Röslein, Röslein, Röslein rot,
Röslein auf der Heiden.«
Goethe: Sämtliche Werke (Anm. 5), S. 163f.
Goethe, Johann Wolfgang: Fabelliedchen:
»| Es sah’ ein Knab’ ein Rößlein stehn | Ein Rößlein auf der Heiden. | Er sah, es war so frisch und
schön | Und blieb stehn, es anzusehen | Und stand in süssen Freuden. || Ich supplire diese Reihe nur
aus dem Gedächtniß, und nun folgt das kindische Ritornell bey jeder Strophe: || Rößlein, Rößlein,
Rößlein roth, | Rößlein auf der Heiden! | Der Knabe sprach: ich breche dich! | Rößlein etc. | Das
Rößlein sprach: ich steche dich, | Daß du ewig denkst an mich | Daß ichs nicht will leiden! Rößlein
etc. | Jedoch der wilde Knabe brach, | Das Rößlein etc. | Das Rößlein wehrte sich und stach, | Aber
er vergaß darnach | Beym Genuß das Leiden! | Rößlein etc. || Ist das nicht Kinderton?«
Von Deutscher Art und Kunst. Einige fligende Blätter [herausgegeben von Johann Gottfried Herder]. Hamburg 1773, S. 57.