Von: Jan-Ole Kaevel, Konrad Lütjohann, Anisa Sharif, Elena Smirnova

Die vorliegende Forschung fokussiert sich auf die Funktionalisierung von Märchen im Grundschulunterricht in Deutschland. In Anbetracht der weitreichenden kulturellen Bedeutung von Märchen für Kinder wurde die Grundschule als zentraler Ort gewählt, um die Vermittlung von Märcheninhalten zu erforschen. Ausgehend hiervon stellten sich uns Fragen wie etwa: Wie hat sich die Rolle der Märchen über die Zeit hinweg geändert? Welche gesellschaftlichen Wandlungen haben sich wie auf die Märchen ausgewirkt? In welcher Form werden und wurden Märchen in den Schulunterricht integriert und aus welchen Gründen? Dabei bildet die Vermutung, dass sich die Anwendung von Märchen im Schulunterricht als Methode zur Erziehung oder aber auch als Methode zur Wertevermittlung maßgeblich verändert hat, die Basis für die zentrale Fragestellung. Diese zielt darauf ab, die Veränderungen der Rolle von Märchen über die Zeit zu verstehen. Welchen Einfluss nehmen sich wandelnde Werteverständnisse auf die Wahrnehmung von Märchen und ihre Integration in den Schulunterricht? Zur Beantwortung dieser Fragen wurde ein interdisziplinärer Ansatz gewählt, der sich geschichtswissenschaftlicher, pädagogischer, literaturwissenschaftlicher und kulturanthropologischer Zugänge bedient. Methodisch stützt sich die Studie auf Textanalysen sowie die Auswertung von Lehrmaterialien, darunter Schulbücher und Lehrpläne von der NS-Zeit bis heute. Die Ergebnisse unserer Forschung spiegeln zum einen die Aushandlungsprozesse wider, die mit der Veränderung der Werteverständnisse einhergehen, und verdeutlichen zum anderen die Anpassungsfähigkeit von Märchen an zeitgenössische Wertvorstellungen, allerdings auch die Gefahren politischer Instrumentalisierung. Die Erkenntnisse legen nahe, dass eine kritische Auseinandersetzung mit dem Einsatz von Märchen im Schulunterricht von entscheidender Bedeutung ist.