Liliencron-Nachwuchspreis für Lyrik aus Schleswig-Holstein

Seit dem Jahr 2024  wird im Rahmen der Liliencron-Dozentur auch der Liliencron-Nachwuchspreis für Lyrik aus Schleswig-Holstein verliehen.  Bei dem Literaturpreis handelt es sich um ein Kooperationsprojekt zwischen dem Institut für Neuere Deutsche Literatur und Medien der CAU Kiel und dem Literaturhaus SH. Studierende haben den Preis als Teilprojekt der renommierten Liliencron-Dozentur im Rahmen eines Projektseminars vergeben. Vorab hatten Lehrende des Instituts eine Vorauswahl getroffen. Erste Preisträgerin im Jahr 2024 war die Kieler Lyrikerin Franziska Ostermann.

Der Liliencron-Nachwuchspreis richtet sich an Lyriker*innen mit biographischem Bezug zu Schleswig-Holstein, die zwischen 18 und 36 Jahre alt sind und bisher nicht mehr als zwei Bücher im Bereich Lyrik veröffentlicht haben. Der Preis ist mit 1000 Euro dotiert. Gefördert wird das Projekt von der Sparkassenstiftung Schleswig-Holstein, die auch das Preisgeld gestiftet hat. Die Preisverleihung findet im Rahmen der Liliencron-Dozentur statt. Zum Programm gehört auch ein von Studierenden moderiertes Gespräch zwischen Liliencron-Dozent*in und Preisträger*in des Nachwuschspreises.

Die Preisträgerin 2025: Dara Brexendorf

Jurybegründung

Dara Brexendorf schreibt Gedichte mit Ortsbezug zu Kiel, die kleine Geschichten erzählen. Um verschiedene markante Plätze der Stadt wie das blaue Hochhaus oder die Schlummernde im Schrevenpark entwickelt sie die Themen ihrer Texte. Brexendorf nutzt dabei intertextuelle Verweise – etwa auf den Mythos der „Lady Godiva“ in ihrem gleichnamigen Gedicht – oder spielt mit Sprache und Konzepten, die an die Epoche der Romantik erinnern.

In Brexendorfs Texten kommt der graphischen Ebene eine wichtige Rolle zu, die einzelnen Strophen ihrer Texte werden geradezu ping-pong-artig über die Seiten verteilt. Onomatopoetische Mittel, hier vor allem in „Die Schlummerende“, lenken die Aufmerksamkeit wiederum auf die klangliche Ebene der Gedichte.

Dara Brexendorf baut in ihren Texten Brücken zwischen Vergangenem, Gegenwart und Zukunft und erreicht damit die Öffnung aktueller Diskurse innerhalb schon fast melancholisch scheinender Szenerien. Das von Abrissplänen bedrohte blaue Hochhaus, das wie ein Chamäleon die Farben ändert und in den Augen der mit „sie“ bezeichneten Person im Gedicht die Stadt hütet, wirft Fragen auf zum anthropozänen Umgang mit Denkmälern, Architektur und Artefakten.

Das Gedicht „Die Schlummernde“ stellt der Schnelllebigkeit des modernen Alltags das Bild der beständig schlummernden Statue im Schrevenpark gegenüber und reflektiert dabei klischeehafte Rollenbilder. „Lady Godiva“ verknüpft den Umgang mit Erinnerungen eines lyrischen Ichs anhand eines porzellanenen Abbilds jener Mythosfigur mit Themen wie Emanzipation, aber auch Altersarmut. Die detailgenaue bildhafte Sprache der Gedichte ermöglicht es den Rezipient*innen, sich in die Szenerien hineinzuversetzen, und eröffnet zugleich lebendige und tiefgreifende Imaginationsräume, die beeindrucken.

Preisträger*innen des Nachwuchspreises

Über die Preisträgerin

Franziska Ostermann, geboren 1992 in Kiel, ist eine mehrmedial arbeitende Künstlerin. Ihre Schwerpunkte liegen auf den Medien digitales Bild, Fotografie, Wort, Video und Performance. 2018 schloss sie ihr Studium an der Muthesius Kunsthochschule in den Fachbereichen Fotografie und Sprache & Gestalt ab.
2018 erschien ihr Lyrikdebüt »OSZIT«. Ihre Texte wurden unter anderem in den Signaturen und im Mosaik veröffentlicht.

Für ihre Arbeit erhielt sie Stipendien der Stiftung Kunstfonds oder der VG Bild-Kunst sowie mehrere Auszeichnungen, etwa vom British Journal of Photography und dem BBK Schleswig-Holstein. 2022 wurde sie mit einem Preis des Stuttgarter Filmwinters ausgezeichnet. Ihre multimediale Arbeit wird international gezeigt, unter anderem in der Agora Gallery in New York, dem Goethe Institut in Paraguay sowie im Czong Institut for Contemporary Art in Korea.

2023 erhielt sie das Aufenthaltsstipendium des Berliner Senats für junge deutschsprachige Autor*innen am Literarischen Colloquium Berlin. Im gleichen Jahr zeigte das NRW-Forum Düsseldorf ihre Ausstellung »interverse: a virtual garden of words and form« im wwwforum.
Franziska Ostermann lebt in Kiel und arbeitet aktuell an ihrem zweiten Gedichtband.

Jurybegründung

Franziska Ostermann spürt der Fragilität des Menschen in einer sprachlich hochkomplexen und zugleich tief berührenden Art nach. Das eigentlich Unsagbare erhält in ihrer Lyrik Worte. In ih-rem 2018 erschienenen Gedichtband »OSZIT« gelingt es der jungen Autorin mit ihren Texten Abstraktion und konkret greifbare Situationen miteinander zu kombinieren.

Das Einbeziehen einer visuellen Ebene sowie wiederkehrende Stilelemente tragen dazu bei, dass ihre einzelnen Gedichte eine lyrische Symbiose eingehen. Durch Originalität, sprachliche Raffinesse und vielschichtige inhaltliche Tiefe gelingt es der Autorin, Räume des Trostes und Reflektierens zugleich zu öffnen. Stilsicher und empfindsam integriert sie Vergangenheit und Gegenwart in einer sprachlich verdichteten Weise. Sich kunstvoll überlagernde semantische Ebenen machen den Leseprozess durch die detaillierte Zeichnung unterschiedlicher Oberflä-chen und Klänge zu einem nahezu synästhetischen Erlebnis.

Dabei finden die Themen Zeit, Vergänglichkeit, Kindheit und Tod, aber auch metasprachliches Reflektieren über gegenwärtige (Nicht-)Kommunikation ihren Platz. »Ich möchte eine Erinne-rung sein, die immer fort neugeboren wird« – eine Erinnerung, die sich den Lesenden einpflanzt, in ihnen weiterlebt und neu geboren wird, sind die Gedichte Franziska Ostermanns, der ersten Preisträgerin des Liliencron-Nachwuchspreises.

Studentische Jurymitglieder: Jakob Cieslinski, Nicholas Hänsel, Lea Martens, Tom Matte, Sina Pedersen, Annika Petersen, Finja Schmidt