Lyrik: Semantik
Aufgabe 1: Übersetzen Sie sinngemäß:
a) Wir sind doch nunmehr gantz / ja mehr denn gantz verheeret!
→ »verheeret« heißt kaputt, zerstört; »mehr denn gantz« meint, dass nicht nur das, was man hat, weg ist (»nunmehr gantz«), sondern darüberhinaus die Möglichkeiten der Wiedergewinnung. Also nicht von 1 zu 0, sondern von 1 über 0 zu -1.
b) Und süße Früchte werden aus den herben
und fallen nachts wie tote Vögel nieder
und liegen wenig Tage und verderben.
→ ein alltäglicher Vorgang, reifes Obst fällt vom Baum, wird hier durch den Vergleich mit »toten Vögeln« merkwürdig, die ja im Flug (oder auf einem Ast sitzend) plötzlich sterben müssten, um mit dem Obst vergleichbar zu sein; die »süßen Früchte« verlieren so ihre positive Konnotation.
c) ISt Liebe lauter nichts / wie daß sie mich entzündet?
→ Besteht Liebe aus nichts anderem als ihrer entflammenden Wirkung auf mich?
Aufgabe 2: Was bedeutet:
a) Kartaune
→ Schauen Sie in Grimms Wörterbuch:
KARTAUNE, f. s. DWB cartaune. anfangs galten kartane (‚quartana‚), kartan, kartona, karton, kartonne, kartawe; es war lange nur ein groszes geschütz (wie anfangs kanone, bei Henisch 589canon), belagerungs- und festungsgeschütz: […].
b) Daguerreotypie
→ Schauen Sie in den DUDEN. (externer Link)
c) Chansonette
→ Schauen Sie in den Zedler. (externer Link)
Aufgabe 3: Bilden Sie mind. zwei Wortfelder:
Martin Opitz: Sonnet XXI. – Francisci Petrarchae.
ISt Liebe lauter nichts / wie daß sie mich entzündet?
Ist sie dann gleichwol was / wem ist ihr Thun bewust?
Ist sie auch gut vnd recht / wie bringt sie böse Lust?
Ist sie nicht gut / wie daß man Frewd‘ auß jhr empfindet?
Lieb‘ ich ohn allen Zwang / wie kan ich schmertzen tragen?
Muß ich es thun / was hilfft’s daß ich solch Trawren führ‘?
Heb‘ ich es vngern an / wer dann befihlt es mir?
Thue ich es aber gern’/ vmb was hab‘ ich zu klagen?
Ich wancke wie das Graß so von den kühlen Winden
Vmb Vesperzeit bald hin geneiget wird / bald her:
Ich walle wie ein Schiff das durch das wilde Meer
Von Wellen vmbgejagt nicht kan zu Rande finden.
Ich weiß nicht was ich wil / ich wil nicht was ich weiß:
Im Sommer ist mir kalt / im Winter ist mir heiß.
→ Denken Sie daran: Sie dürfen bei der Wortfeldanalyse nur die vom Text verwendeten Begriffe sammeln (keine übertragende Bedeutungen, das kommt später).
Gefühle: Liebe, Lust, Freude, Zwang, Schmerzen, Trauer, Klagen
Natur: Gras, kühle Winde, wildes Meer, Wellen, Sommer, Winter
Seefahrt: kühle Winde, Schiff, wildes Meer, Wellen, Rande
Sein: ist (7x)
Pronomen 1. Pers. Sing.: mich/mir (4x), ich (11x)
[usw.]
Aufgabe 4: Parataxe oder Hypotaxe?
a) Matthias Claudius: Abendlied (Auszug)
Der Mond ist aufgegangen,
Die goldnen Sternlein prangen
Am Himmel hell und klar;
Der Wald steht schwarz und schweiget,
Und aus den Wiesen steiget
Der weiße Nebel wunderbar.
→ Parataxe klar, ein Kinderlied
b) August von Platen: Jahre schwanden …
Jahre schwanden, dieser Busen ist von Liebe rein gewesen,
Was ihn wieder hat befangen, ist ein Becher Wein gewesen:
Lenzeshauch aus goldnen Locken lockte mich in ehrne Bande,
Denn ihr Anbeginn ist Irrtum, und ihr Ende Pein gewesen:
An bemalten Schaugerichten wollt ich meinen Hunger stillen,
Aber was mir Brot geschienen, ist ein kalter Stein gewesen:
Gold und Silber wollt ich fördern auf im Traum gesehnen Plätzen,
Aber, was ich ausgegraben, ist ein morsch Gebein gewesen.
Will mich dennoch, aus der Ferne, deine Huld und Milde segnen,
Soll mir teurer sein die Trennung, als es der Verein gewesen;
Flattersinnig, unbeständig ließ ich zwar das Auge schweifen,
Doch es ist das Herz im stillen, ganz im stillen dein gewesen:
Was zu dir mich hingezogen, war Geschick und Gegenliebe,
Was an Jene mich gefesselt, ist ein falscher Schein gewesen;
Richte nicht zu streng die Lieder, die ich nicht an dich gerichtet,
Freilich, solcher Lieder würdig wärst du ganz allein gewesen!
→ komplizierter Satzbau: Hypotaxe
c) Johann Wolfgang Goethe: Natur und Kunst (Auszug)
Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen
Und haben sich, eh man es denkt, gefunden;
Der Widerwille ist auch mir verschwunden,
Und beide scheinen gleich mich anzuziehen.
→ beides. Einerseits verwendet Goethe Parenthesen (Einschübe: »eh man es denkt«), andererseits sind die Verse auch Satzeinheiten. Dieses Nebeneinander findet sich auch im Metrum: die Verse 1 und 2 lassen sich sowohl als Vers commun und als Endecasillabo lesen: Natur oder Kunst.
Aufgabe 5: Strukturieren Sie obenstehendes Gedicht von Martin Opitz (Sonnet XXI. – Francisci Petrarchae) anhand der Satzarten!
→ Die Satzarten folgen der formalen Anlage; das Oktett besteht hauptsächlich aus (rhetorischen) Fragen, das Sextett verzeichnet (antithetische) Aussagesätze. Opitz folgt hier einer bestimmten Lehre der Beweisführung, der Scholastik.