Lyrik: Klang

Aufgabe: Bestimmen Sie bei folgenden Gedichtauszügen das Metrum, ggfs. das Versmaß sowie Reimschema und Kadenz.

1. Bertolt Brecht: Moritat von Mackie Messer

Und der Haifisch, der hat Zähne
Und die trägt er im Gesicht
Und Macheath, der hat ein Messer
Doch das Messer sieht man nicht.

XxXxXxXx
XxXxXxX
XxXxXxXx
XxXxXxX

= vierhebiger Trochäus mit wechselnder Kadenz, unterbrochener Reim

2. Andreas Gryphius: Thränen des Vaterlandes

Wir sind doch nunmehr gantz ja mehr denn gantz verheeret!
Der frechen Völcker Schaar die rasende Posaun
Das vom Blutt fette Schwerdt die donnernde Carthaun
Hat aller Schweiß und Fleiß und Vorrath auffgezehret.

xXxXxX / xXxXxXx
xXxXxX / xXxXxX
xXxXxX / xXxXxX
xXxXxX / xXxXxXx

= Alexandriner, sechshebige Jamben mit Mittelzäsur, umarmender Reim, wechselnde Kadenz

3. August von Platen: Philia

Ach nicht Schätze, nicht Gold bitt ich vom Schicksal mir,
Nicht des Ruhmes gepriesenen Kranz,
Nicht die Herrschaft der Welt, nicht die Verewigung
Bei des Staubes Geborenen.

xxXxxXxxXxxX
xxXxxXxxX
xxXxxXxxXxxX
xxXxxXxx

= Daktylen mit unregelmäßiger Hebungszahl (4, 3, 4, 2), ungereimt (deshalb entfallen die Kadenzen)

4. Johann Wolfgang Goethe: Pandora

Die unbeständige,
Stürmisch lebendige,
Daß der Verständige
Manchmal sie bändige,
Finden wir gut.

XxxXxx
XxxXxx
XxxXxx
XxxXxx
XxxX

= zweihebige Daktylen (mit brachykatalektischem Schluss: im letzten Vers fehlen zwei Senkungen), Blockreim + Waise

5. Conrad Ferdinand Meyer: Zwei Segel

Begehrt eins zu hasten,
Das andre geht schnell,
Verlangt eins zu rasten,
Ruht auch sein Gesell.

xXxxXx
xXxxX
xXxxXx
xXxxX

= zweihebige Daktylen mit Auftakt und (brachy-)katalektischem Versschluss (oder: fehlenden Senkungen am Versschluss. Beschreiben Sie in so einem Fall einfach, was Sie sehen), Kreuzreim, wechselnde Kadenz

6. Achim von Arnim: Der Mensch ist bald vergessen

Der Mensch ist bald vergessen,
nur Gott vergißt uns nicht,
hat unser Herz ermessen,
wenn es in Schmerzen bricht.

xXxXxXx
xXxXxX
xXxXxXx
xXxXxX

= dreihebige Jamben, Kreuzreim, wechselnde Kadenz

7. Nikolaus Lenau: An den Frühling

Oder ist dies Wort ein Wahn,
Und erjagen wir
Nur auf unsrer Sturmesbahn
Gold und Sinnengier?

XxXxXxX
XxXxX
XxXxXxX
XxXxX

= Trochäus mit abwechselnd vier und drei Hebungen, Kreuzreim, männliche Kadenzen

8. Friedrich Schiller: Der Taucher

Und es wallet und siedet und brauset und zischt,
wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt

xxXxxXxxXxxX
xxXxxXxxX

= Anapäst mit vier und drei Hebungen, ungereimt

9. Joachim Ringelnatz: Es lebe die Mode!

Durch das Weltall sei’s gejodelt
Allen Schneidern zum Gewinn:
Mode lebt und Leben modelt,
Und so haben beide Sinn.

XxXxXxXx
XxXxXxX
XxXxXxXx
XxXxXxX

= vierhebiger Trochäus, Kreuzreim, wechselnde Kadenz

10. Theodor Storm: Die Stadt

Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai
Kein Vogel ohn Unterlaß;
Die Wandergans mit hartem Schrei
Nur fliegt in Herbstesnacht vorbei,
Am Strande weht das Gras.

xXxXxXxX
xXxxXxX
xXxXxXxX
xXxXxXxX
xXxXxX

= Jamben mit abwechselnd vier und drei Hebungen bei Wiederholung des dritten Verses, Kreuzreim, männliche Kadenzen; beachten Sie die überschüssige Senkung im zweiten Vers, die es Storm erlaubt, das Schema zu verfolgen (gezählt werden die Hebungen!), gleichzeitig aber die Idylle zu brechen (vgl. die doppelte Verneinung: kein … ohne …)